Mittenwald – Skirennläuferin zu werden – das war der Traum von Maria K. (Name geändert). Tatsächlich war die heute 13-Jährige auf einem guten Weg dorthin. Mit zehn Jahren schaffte sie es sogar in ein Team für besonders talentierte Nachwuchsskifahrer. Von Dienstag bis Freitag ging es täglich zum Training, regelmäßig fuhr sie Rennen.
Im Januar 2019 nahm sie an einem Wettbewerb am Kranzberg bei Mittenwald (Kreis Garmisch-Partenkirchen) teil. Beim ersten Lauf war die damals Elfjährige gut dabei. „Um warm zu bleiben für den zweiten Lauf, habe ich mich weiter eingefahren“, erzählt sie. Doch diese Übungsfahrt änderte alles: Maria K. stürzte und verletzte sich schwer. Sie brach sich das linke Fersenbein sowie den rechten Unterschenkel und erlitt eine Gehirnerschütterung. Noch immer hat sie gesundheitliche Probleme. Ski gefahren ist sie seitdem nicht mehr. Jetzt verklagte das Mädchen den Liftbetreiber, den Skiclub Mittenwald als Veranstalter des Rennens, den Bayerischen Skiverband sowie den Skigau Werdenfels auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Der Streitwert lag bei 35 000 Euro.
Bei der Verhandlung vor dem Landgericht München II schildert die 13-Jährige, wie es zu dem Unfall kam. Demnach fuhr sie auf einer Piste, auf der sich ein Heustadel befindet. Der Pistenbereich führt links neben dem Stadel vorbei, Maria K. fuhr aber auf der rechten Seite. „Es sah alles gleich aus“, erklärt sie. „Überall waren Spuren im Schnee.“ Es sei nicht erkennbar gewesen, wo die Strecke entlang geführt habe. „Die ganze Piste war nicht präpariert“, sagt sie. An dem Tag sei frischer Schnee gefallen, das Wetter teilweise trüb gewesen. Sie sei mit „mittlerer Geschwindigkeit“ unterwegs gewesen. Zu dem Unfall kam es, weil Maria K. einen Abgrund über einem Weg nicht rechtzeitig bemerkt hatte. Erst einen Meter vorher sei er zu sehen gewesen, sagt sie. Sie stürzte über drei Meter hinab.
Der Skiliftbetreiber, der auch Vorsitzender des örtlichen Skiclubs ist, wehrte sich gegen den Vorwurf, dass der Pistenverlauf nicht eindeutig sei. „Der Pistenrand war klar erkennbar“, beteuert er. Außerdem sei die Strecke präpariert gewesen. „Ich habe die Unfall- und die Rennpiste am Morgen selbst gewalzt.“ Danach habe es nur noch leicht geschneit, „höchstens fünf Zentimeter“. Zur Unfallzeit habe die Sonne geschienen, der Himmel sei weißblau gewesen. Die Beklagten beanstandeten außerdem, dass Maria K.s Aussagen vor Gericht nicht immer ihren Angaben bei der Polizei entsprachen. Das Mädchen hatte durch den Unfall einen Gedächtnisverlust erlitten. „Das einzige Bild, das ich von dem Unfall noch hatte, war, wie ich runtergefallen bin“, berichtet sie. Erst nach ein paar Monaten seien die Erinnerungen zurückgekommen.
Dominik Feldmann vom Bayerischen Skiverband machte darauf aufmerksam, dass die Klage weitreichende Folgen haben könnte: „Es tut uns leid, wenn sich jemand verletzt“, betonte er. „Aber wenn Vereine in der Haftung sind, wenn bei einem Wettbewerb ein Unglück außerhalb der Rennstrecke passiert, wird es in Zukunft vielleicht keine Sportveranstaltungen mehr geben.“ Letztlich wies der Richter die Klage „wegen hundertprozentigen Mitverschuldens“ ab.
CLAUDIA SCHUR