Tierparadiese in Corona-Not

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

München – Resls Todesurteil war gefällt. Sie war in einem erbärmlichen Zustand, blutete an mehreren Stellen und hatte eine Klauenerkrankung. Die Kuh war schon auf dem Weg zum Metzger – doch dann kam sie anstatt ins Schlachthaus auf das Gut Streiflach in Germering (Kreis Fürstenfeldbruck). „Sie hat tagtäglich medizinische Versorgung bekommen und überlebt“, sagt Arpád von Gaál, Vorstandsvorsitzender der Gewerkschaft für Tiere, die sowohl Gut Streiflach als auch den Bärenpark bei Bad Füssing betreibt. „Jetzt hat sie sicher noch ein paar Jahre ein schönes Leben.“

Auf Gut Streiflach werden kranke Tiere bis zum Lebensende begleitet, van Gaál bezeichnet es deshalb auch als Palliativstation für Tiere. Aber so eine intensive Behandlung ist teuer – und das sind bei weitem nicht die einzigen Kosten. Auch der Bärenhof, wo 16 Braunbären eine Heimat gefunden haben, kostet viel Geld. Gerade sind die Bären sehr hungrig und fressen täglich zwischen 25 und 26 Kilo Futter. Innerhalb von zwei Wochen fallen für die Gewerkschaft Futterkosten zwischen 10 000 und 16 000 Euro an.

Die Corona-Krise stellt auch die Gnadenhöfe vor finanzielle Probleme. Viele Einnahmen sind durch Veranstaltungen, die nicht stattfinden können, weggebrochen. Die Spenden seien ebenfalls zurückgegangen, berichtet von Gaál. „Die Menschen sind in Wartehaltung“, sagt er. „Wir leben von den Rücklagen.“

Auf die Ersparnisse muss gerade auch Gut Aiderbichl zurückgreifen. Die Einrichtung hat in ganz Europa rund 30 Höfe. In Bayern können die Güter Iffeldorf (Kreis Weilheim-Schongau) und Deggendorf besucht werden. Während des Lockdowns waren sie jedoch zwei Monate komplett geschlossen. „Wir haben die gesamten Einnahmen aus Eintritten, der Gastronomie und den Shop-Artikeln verloren“, sagt Florian Müller von Gut Aiderbichl. Die täglichen Kosten von rund 38 000 Euro für Medizin und Futter sowie viele weitere Ausgaben zum Beispiel für Gehälter würden aber weiterlaufen. „Die Tiere müssen ja versorgt werden.“

Inzwischen können die Güter zwar wieder besucht werden. „Aber vom Normalbetrieb sind wir noch weit entfernt“, sagt Müller. „Die Reisebusse sind bis heute weggefallen.“ Mit der Einhaltung der Hygieneregeln, betont er, gebe es bei den Besuchen keine Probleme. „Wir halten uns strikt an die Vorschriften und unsere Besucher schätzen die Weitläufigkeit auf dem Gelände. Sie sind unglaublich diszipliniert.“

Ihn freut außerdem, dass Gut Aiderbichl in den schwierigen Zeiten von zahlreichen Tierfreunden große Unterstützung erfährt: „Wir sind wie eine große Familie, in der man sich hilft“, sagt er. „Aber ausgeglichen werden können die fehlenden Einnahmen auch dadurch nicht.“ Deshalb versuche man, die laufenden Ausgaben zu reduzieren und möglichst kostengünstige Zusatzangebote für die Zuschauer zu schaffen. Die Situation sei ernst: „Wir brauchen jeden Cent“. Aber eines, betont Müller, sei trotzdem sicher: „Es muss weitergehen und es wird weitergehen.“

Aufgeben kommt auch für Sophie Putz vom Gnadenhof Chiemgau nicht infrage. „Jedes Jahr ist eine Herausforderung und ein Kampf“, sagt sie. „Aber uns gibt’s schon 30 Jahre und wird es auch noch weiter geben.“ Zwischen 100 und 150 Tiere haben auf dem Gnadenhof ihre letzte Heimat – „vom Reh bis zum Marder haben wir alles“, sagt Putz. Normalerweise finden zum Beispiel ein Tag der offenen Tür und ein Kürbisfest statt – beides geht heuer nicht. „Ob wir den Adventskranzverkauf machen können, ist noch nicht sicher“, erklärt sie. Auch beim Gnadenhof Chiemgau wird deshalb gespart. Aber: „Wir haben zum Glück sehr aktive Mitarbeiter, die bei der Arbeit nicht auf die Uhr schauen“, sagt sie. „Und wenn ein Tier einen Tierarzt braucht, dann stemmen wir das.“ Da sind sich alle Gnadenhöfe einig.

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