„Der Stern von Afrika“ aus dem Jahr 1957 ist ein typischer Schwarz-Weiß-Streifen der ausgehenden 1950er-Jahre. Er erzählt die Geschichte des jungen Piloten Hans-Joachim („Jochen“) Marseille, der ein rechter Draufgänger war, hochtalentiert in der Luft, ziemlich naiv am Boden. Für ihn zählte nur das Fliegen – und die Feindabschüsse an der Front in Afrika. Als hochdekorierter „Stern von Afrika“ wurde Marseille von der nationalsozialistischen Propaganda für seine 100 Abschüsse gefeiert.
Der Film ist kaum fünf Minuten alt, Marseille noch in der Ausbildung in Deutschland, da kommt die entscheidende Szene, die den Heimatchronisten von Brunnthal (Kreis München), Norbert Loy, so fasziniert. Ein Pilot im Doppeldecker zieht tiefer und tiefer, und dann landet der junge draufgängerische Pilot – mitten auf der Autobahn. Er steigt aus und fragt die erstaunten Bauern, die herbeigeeilt sind, einfach nur nach dem Weg. „Ist das hier Kirchdorf?“. Brummelndes Ja. Und das da drüben der Bredenweiler Kopf? Wieder ein Ja. „Na, dann ist ja alles in Ordnung“, freut sich der Pilot, ruft den Autofahrern, die hinter seinem Flugzeug stoppen mussten, noch ein „Entschuldigung“ zu und steigt wieder in die Lüfte. „Das ist ja nicht zu fassen“, ruft ihm ein entgeisterter Autofahrer hinterher.
Um es kurz zu machen: Kirchdorf und ein Bredenweiler Kopf sind Fantasienamen. Nobert Loy hat anhand der Höfe, die nur Sekunden im Film zu sehen sind, den wahren Aufnahmeort der Filmszene identifizieren können: Es handelt sich um die heutige Salzburger Autobahn, die A 8 im Abschnitt zwischen Brunnthal und dem Ortsteil Otterloh, der damals offenbar so wenig befahren war, dass auf ihm Filmaufnahmen gedreht werden konnten. Loy konnte sogar ein Gebäude identifizieren („Amtmann-Villa“) und auch einen der Landwirte, der die Landung auf der Autobahn bestaunte. Der Zeuge, Max Portenlänger, ist freilich längst verstorben.
Interessant auch, dass die Autobahn damals keine Leitplanken hatte – ein schlichter Grünstreifen trennte die beiden Fahrbahnrichtungen.
Aus cineastischer Sicht ist der Film, der auf Youtube frei zugänglich ist, heute wahrscheinlich zu Recht vergessen. Er erzählt die Nachkriegslegende der idealistischen deutschen Jugend – „die Tragödie der deutschen Jugend, die blind und gläubig ins Verderben lief“, wie es der Sprecher im Film wörtlich sagt. Da wird der Anteil des Mitmachens und persönliche Überzeugungen junger Erwachsener im Zweiten Weltkrieg nicht weiter problematisiert.
Aber es ist eine Film-Schmonzette der ausgehenden 1950er-Jahre mit zahlreichen, teils erst später bekannt gewordenen Stars. Herbert Reinecker, der später durch Derrick berühmt wird, schrieb das Drehbuch. Hansjörg Felmy spielt Marseilles engsten Freund Robert Franke. Sogar Roberto Blanco hat einen kurzen Auftritt. Und dann ist da noch die junge Marianne Koch, im Film Brigitte genannt, die sich in Hans-Joachim verliebt, ihn sogar zur Fahnenflucht überreden will. Marseille kehrt jedoch zu seiner Fliegerstaffel nach Nordafrika zurück. Dort hatte sein Flugzeug, eine Messerschmitt, am 30. September 1942 einen technischen Defekt und stürzte ab. Marseille, 23, war vermutlich sofort tot. Im Film erfährt seine Geliebte Brigitte, eine Lehrerin, mitten im Unterricht von seinem Tod und bricht weinend am Schreibtisch zusammen. DIRK WALTER