Die Furcht vor dem Atommüll-Endlager

von Redaktion

München – Schon der Blick auf die Karte zeigt, wo Ungemach drohen könnte. Im Jahr 2010 hatte das Landesamt für Umwelt die Granitvorkommen extra ausgewiesen – es ist in der Karte dick rot markiert, dass es in einem breiten Korridor von Oberfranken im Norden über die Oberpfalz bis hin zur Grenze bei Passau in Niederbayern große Granitvorkommen gibt. In der Gegend um Ulm gibt es Ton und im nördlichen Unterfranken sowie im Berchtesgadener Land Salz.

Am Montag wird man sehen, was das bedeutet. Dann veröffentlicht die Bundesgesellschaft für Endlagerung den mit Spannung erwarteten Zwischenbericht zur Suche. Erstmals seit 2013, als die Endlagersuche begann, werden damit Regionen benannt, die wegen ihrer Geologie „Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen“, wie es im Endlagersuchgesetz heißt. Andere Kriterien wie die Bevölkerungsstruktur wurden dagegen noch nicht berücksichtigt. Mindestens zehn und höchstens 100 Orte soll die Vorauswahl-Liste umfassen. Bis 2031 soll dann die Endauswahl erfolgen.

Einige Regionen in Bayern sind in Alarmstimmung. Im niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau gibt es schon seit 1996 eine „Bürgerinitiative gegen ein Atommüllendlager im Saldenburger Granit“. Kommunalpolitiker in Saldenburg und Thurmansbang fürchten, dass Saldenburg in der Liste auftauchen wird. „Die Warnlampen in der Region leuchten tiefrot“, formulierte die Heimatzeitung.

Dabei steht zum großen Ärger des restlichen Deutschlands für Bayerns Staatsregierung eigentlich schon fest, dass der Freistaat nicht für ein Endlager infrage kommt. Das haben CSU und Freie Wähler im Koalitionsvertrag verankert. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sieht das Endlager eher in Niedersachsen, nicht in Bayern. Er sagt: „Die politische Festlegung einer weißen Landkarte, nachdem man rund 1,6 Milliarden Euro in den Salzstock Gorleben investiert hat, darf man schon kritisch hinterfragen.“ Für Glauber und die gesamte Regierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht fest, dass die hiesigen Gesteinsarten den Sicherheitsanforderungen nicht gerecht werden. Glauber kann auf einem Bericht des Landesamts für Umwelt verweisen: Der Granit sei zu zerklüftet, das Salzlager nicht mächtig genug und die Tonvorkommen wegen stark wasserführender Grundwasserleiter ungeeignet, heißt es darin. Also „kein Untergrund für ein Endlager“, das nach Ansicht von Glauber „für eine Million Jahre sicher“ sein muss.

Dass das Urteil über das Gestein auch anders ausfallen kann, zeigt ein Blick über die Grenze nach Tschechien. 125 Kilometer entfernt von Regensburg könnte auf dem Gebiet der Gemeinde Chanovice bald ein Atommüll-Endlager gebaut werden. Hier ist der Granit in der engeren Auswahl für ein Tiefenendlager.

Auch in Bayern gibt es andere Stimmen, wenngleich niemand gerne ein Endlager für 27 000 Kubikmeter hoch radioaktiven Müll in seiner Nachbarschaft haben will. „Ohne jede Fachkenntnis zu behaupten, dass es in Bayern keinen geeigneten Standort für Atommüll gebe, und dies auch noch in den Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern zu schreiben, war bereits reiner Populismus“, sagt Grünen-Landeschef Eike Hallitzky. Er sieht den Freistaat in der Verantwortung: „Kein Bundesland hat so viel Atommüll produziert wie Bayern.“

Sorgen macht Glauber der Verlauf des Verfahrens: „Anfangs hieß es weiße Landkarte. Da galt noch: Wir setzen auf einen sicheren Einschluss durch das Gebirge und untersuchen die Gesteinsarten Salz, Ton und Granit. Doch dann folgte eine Kehrtwende“, sagt er. Inzwischen heiße es, auch ein zerklüftetes Kristallingestein könne sich eignen. Dann werde die Sicherheit hauptsächlich durch Technik hergestellt. „Damit wurde eine neue Tür geöffnet“, fürchtet Glauber. Denn dies würde auch auf den Granit in Bayern zutreffen. mm/lby

Artikel 10 von 11