Die Kammer des Schreckens

von Redaktion

VON ANDREAS THIEME

München – Bei ihm lag schon der Hammer, mit dem Walter Sedlmayr ermordet wurde – oder das Kabel, mit dem Rudolph Moshammer erdrosselt wurde. Mit elf Mitarbeitern verwahrt Anton Jofer (60) die Beweise aus laufenden Strafverfahren – bis zu 60 000 gehen pro Jahr ein. Waffen, Drogen, Falschgeld. Gelagert in 25 unterirdischen Räumen. „Da braucht man natürlich eine gute Grundordnung“, sagt Jofer.

Die meisten Asservate sind in Schachteln verpackt. Sie sind mit farblichen Markierungen und einem Strichcode versehen. „Wenn ich etwas wegschmeißen würde, was noch gebraucht wird, könnte das schlimme Folgen haben“, erklärt Jofer. Ganze Prozesse könnten so ins Wanken geraten. „Deshalb ist in unserem Beruf höchste Konzentration gefragt.“

Bei der Staatsanwaltschaft ist Jofer der Mann mit dem Überblick: Ganze Kellergewölbe hat er einsortiert. Wenn es um Beweise aus Kapitalverbrechen geht, kommen die Staatsanwälte noch persönlich bei ihm vorbei.

Seit 22 Jahren arbeitet Anton Jofer in der Asservatenkammer. Einer seiner ersten Fälle war der Mord an Volksschauspieler Walter Sedlmayr. „1992 sind hier die Beweismittel eingegangen und waren viele Jahre gelagert. Die Abwicklung ist aber erst mehr als fünf Jahre später passiert, das habe ich persönlich mit dem damaligen Ermittler Josef Wilfling gemacht.“ Auch die Original-Schreibmaschine von der Testamentsfälschung lagerte bei Jofer. „Das letzte, was ich abgewickelt habe, waren die Schmuckstücke aus der Wohnung.“ Heute liegen diese Beweismittel im Museum des Polizeipräsidiums. „Wir bearbeiten nur die laufenden Fälle“, erklärt Jofer.

Tütenweise hat er Ecstasy, Marihuana und Haschisch in der Asservatenkammer, schließlich sind die meisten Eingänge Drogen. „Meist von Einzelkonsumenten“, sagt Jofer. Gerade Dealer seien kreativ: Sie bauen Cola-Dosen durch Schraubverschlüsse zu Verstecken um. „Bei ganzen Paletten fällt das nicht gleich auf.“ Ähnlich bei Waffen: eine Taschenlampe als Elektroschocker, die Gürtelschnalle als Stichmesser oder ein Kugelschreiber, der eine Patrone abfeuert – Teile wie diese hat Jofer oft gesehen.

Bis zu 10 000 Beweismittel verwahrt er in jedem der 25 Lagerräume unter der Linprunstraße. So zum Beispiel hochwertige Uhren von Rolex oder Hublot aus einem Betrugsfall. „Es sind Markenfälschungen“, erklärt Jofer. „Wenn ich da mit einem kleinen Hammer draufschlage, geht das Glas direkt kaputt.“ Über die Jahre ist er zum Krimi-Profi geworden. Beispiel Falschmünzen: „Die erkennt man erst in der Geldmaschine, wenn Infrarot aufleuchtet.“ Mit bloßem Auge kaum sichtbar: Das Innenleben der Münzen ist leicht abgesetzt, der Ring dagegen höher gestellt. „Das fällt oft erst bei der Bank auf.“ Auch unechte Goldmünzen und -barren erkennt Jofer sofort: „Bei Fälschungen sind es Eisenplatten mit Überzug. Eine Unze hat 31,1 Gramm, die gefälschte Platte aber hat 32,7 Gramm.“ Neben Polizei und Landeskriminalamt liefert auch der Zoll Beweismittel bei der Asservatenkammer an. Bei der Staatsanwaltschaft werden diese in zwei Verwaltungsbüros sortiert.

Anton Jofer macht aber mehr als nur die Lagerverwaltung: Er organisiert auch Transporte und Entsorgungen. „Wir sind richtige Logistik-Profis.“ Rund 6000 Asservate werden jährlich zudem versteigert: Kleidung, Koffer oder Werkzeuge. Beruflich verwahrt Jofer so viele Teile wie ein riesiges Kaufhaus. Privat habe er zum Glück „viel weniger“, sagt er und lacht. „Da sorgt meine Frau für Ordnung.“ Verloren habe er in der Asservatenkammer zum Glück nie etwas. In Erinnerung blieb ihm vor allem ein Rohdiamant aus Südafrika: „Ein riesiger Koloss. Der war 800 000 Mark wert“, so Jofer. „Den habe ich dann persönlich zur Gerichtsverhandlung gebracht.“ Und danach auch wieder eingelagert.

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