Regensburg – Christoph Süß sitzt in einem Wartesaal auf einer schlichten Holzbank, hinter ihm leuchtet eine LED-Wand. Sie soll den Zuschauer virtuell in die Zeit der 1920er Jahre in Bayern entführen – während der Moderator davor verschiedene Figuren aus dieser Zeit trifft: einen ärmlichen Soldaten, eine kränkliche junge Frau, einen feinen Herrn, einen polternden Bayern. Sie alle sollen zeigen, wie zerrissen dieses Jahrzehnt war: Nach Weltkriegsende, Revolution und der Ermordung Kurt Eisners stehen die Zeiten auf Auf- und Umbruch; politische Radikalisierung von linker und rechter Seite bringt große Unsicherheit; Inflation, Armut und Krankheiten heizen die angespannte Stimmung auf.
Die Szenen setzen sich zu einem 30-minütigen Film zusammen, der nun in einem Teil der neuen Bayernausstellung „Tempo, Tempo – Bayern in den 1920ern“ im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zu sehen ist. Es ist eine „Virtual Production“, gedreht mit neuester Technik des Jahres 2020, mit dabei: bayerische Kabarettisten wie Luise Kinseher, Max Uthoff und Helmut Schleich, und Schauspieler des Münchner Volkstheaters.
Im anderen Teil der Ausstellung steht dagegen die neueste Technik von vor 100 Jahren im Mittelpunkt, mit vielen Originalexponaten, Filmen, Musikbeispielen und Hörstationen wird ein bunt gemischter Rundgang durch das Jahrzehnt dargeboten. Die 1920er waren eine Zeit der technischen Neuerungen. Wie heute veränderten Maschinen den Alltag: Schreibmaschine und Telefon die Arbeitsplätze, Staubsauger und Föhn den Haushalt, der Rundfunk die Medienwelt.
Außerdem ermöglichte wirtschaftlicher Aufschwung einen bescheidenen Wohlstand, und so richtete sich die Sehnsucht auch auf das Automobil. Die Zulassungszahlen stiegen rasant an, damit auch die Unfallzahlen. Plakate und drastische Verkehrsfilme mahnten also zu mehr Vorsicht. Das Tempo der 1920er-Jahre wurde zudem an den neuen Tanzstilen, neuen Musikinstrumenten und den bis heute populären Schlagern deutlich. Die rasante gesellschaftliche Entwicklung wurde aber auch kritisch gesehen: Thomas Mann machte sich etwa über den Einfluss der Nationalsozialisten berechtigte Sorgen. np
Die Ausstellung
ist noch bis zum 7. Februar 2021 zu sehen, geöffnet ist sie immer Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ins Museum der Bayerischen Geschichte kostet 5 Euro.