Hebertshausen – Die Idee kam Richard Reischl, Bürgermeister von Hebertshausen (Kreis Dachau), auf dem Weg zur S-Bahn. Zufällig traf er eine Frau, die ihn auf einen Obstbaum voller reifer Pflaumen aufmerksam machte. „Schauen Sie sich die schönen Früchte an, ich würde sie so gerne essen“, sagte sie. „Dann machen Sie es doch“, antwortete Reischl. Denn was die Frau nicht wusste: Der Baum stand auf Gemeindegrund – und niemand hat etwas dagegen, dass das Obst dort gepflückt wird.
Die Begegnung war für Reischl der Anstoß, um auch öffentlich bekannt zu machen, dass das Naschen erlaubt und sogar erwünscht ist. „Wir freuen uns, wenn das Obst nicht nur auf den Boden fällt und verkommt, sondern gegessen wird“, sagt er. Bäume, die geerntet werden dürfen, sind in Hebertshausen jetzt mit einem gelben Band gekennzeichnet. Außerdem hat die Gemeinde ihren Standort auf der Internetseite www.mundraub.org bekannt gegeben.
Am Sonntag feiern die Christen Erntedank. Der sorgfältige Umgang mit der Schöpfung und das Bewusstsein, dass der Mensch von der Natur abhängig ist, stehen im Mittelpunkt des Fests. All das sind Anliegen, die auch den Betreibern der Mundraub-Seite sehr wichtig sind.
Sie haben auf ihrer Plattform eine Karte veröffentlicht, auf der jeder melden kann, wo sich für die Allgemeinheit freie Früchte und Kräuter befinden. Seit dem Start im Jahr 2009 haben sich bereits über 87 250 Personen an dem Projekt beteiligt. Inzwischen gibt es auch eine App für das Smartphone.
Die Fundorte von Mundraub sind größtenteils in Deutschland verteilt, manchmal aber auch im Ausland. Sogar ein Kaki-Baum in Australien ist dabei. Auch für Bayern gibt es mehrere hundert Veröffentlichungen von Pflanzen zum Ernten.
Registriert sind viele verschiedene Arten von Obstbäumen und -sträuchern, Kräutern sowie Nussbäumen. Auch Mostereien werden aufgeführt. Zusätzlich bekommen die Nutzer Informationen und Tipps zur Verwendung der Lebensmittel. Egal ob man zum Beispiel Holunder, Minze, Wacholderbeeren, Birnen oder Äpfel sucht – mit ein bisschen Glück wird man in der näheren Umgebung fündig.
In der Gemeinde Hebertshausen können die Bürger – natürlich je nach Jahreszeit – unter anderem Hasel- und Walnüsse sammeln sowie Kirschen, Pflaumen, Birnen und Äpfel pflücken. „Es wird gut angenommen“, sagt Bürgermeister Reischl. „Die Grundstücke und die Gärten werden kleiner und viele Bürger haben keine eigenen Obstbäume mehr.“ Da seien sie froh, woanders legal regionale Früchte ernten zu können. Rund 240 Obstbäume gibt es in Hebertshausen und jedes Jahr werden es mehr. „Wir pflanzen für jede Geburt einen Baum“, erzählt Reischl. Die Idee dahinter: „Es ist wichtig, das, was uns die Natur gibt, mehr wertzuschätzen“, sagt er. „Und dazu ist es am besten, wenn es schon die Kleinsten lernen.“