SO SCHAUT’S AUS!

München – eine Stadt braucht Mut für ihre Schandflecken

von Redaktion

VON MANFRED SCHAUER, DEM SCHICHTL VON DER WIESN

Geliebtes München, Du, meine Lebensgefährtin für immer, seit über einem Jahr bringst Du mich immer mehr und wieder in Lebensgefahr. Kann es sein, dass hier Schürfrechte, für was und wen auch immer, vergeben wurden? Es wird auf den Straßen gegraben, geschaufelt und gebaggert, als hätt’ es kein Gestern gegeben.

Mittlerweile pfeifen es ja die Tauben vom Dach, das Schatzkammerl der Stadt ist arg ramponiert, quasi leer, richtig flüssig ist zurzeit eigentlich nur noch die Isar. Das ist aber anscheinend so schlimm gar nicht, weil gebaut wird, dass die Fetzen vs. Balken fliegen. Mein Falk-Stadtplan hat seine Gültigkeit verloren, mein Navi die Orientierung.

Logischerweise müssen die laufenden Baumaßnahmen beendet werden, dann ist derweil aber auch gut. Lasst einfach mal was stehen, nicht nach Planwirtschaft weiter werkeln. Beispiel die Paul-Heyse-Unterführung, schon ein Schandfleck, aber liebe Leute, sie funktioniert. Der Nikolaiplatz in Schwabing, gar nicht schön, aber man kann drüberlatschen. Neue U-Bahn-Rolltreppen, ja schon, aber so lang sie laufen, geht’s nicht a bisserl später?

Weil, und auch als geborener Optimist, ich glaub, auf uns kommen noch ungeahnte Herausforderungen zu. Bitte nicht ins Hemd machen, aber der Staat sollte kommender Unbill doch lieber mit einigermaßen stabilen Finanzen gegenüberstehen als mit modernisierten Verkehrsflächen oder geschminkten Parkanlagen.

Ganz bestimmt, ich hab da absolut nix dagegen und ich mag es, wenn alles funktioniert und in Schuss ist wie gewohnt, aber bitte alles zu seiner Zeit. Natürlich weiß ich, dass verplante Etats ausgegeben werden sollen müssen dürfen. Aber bloß, weil das so ist, muss das noch lange nicht logisch sein. Seit dem Frühjahr gibt es dazu ein riesiges Sorgenpaket, das bis dato niemand im Griff hat.

Wir sind es in dieser Phase verdammt noch mal sehr vielen Menschen schuldig, sie endlich fair und gerecht zu bezahlen. Anerkennung ist ja mal ein erster Schritt, aber der politischen Mentalität entsprechend schon gern der Einzige. An all die Leute, die uns gerade mit so vielen Verordnungen segnen, wie schaut’s denn da aus, mit Einkommen, zu betreuenden Kita-Absolventen oder Schulkindern „aloa dahoam“?

Anordnen sollte nur, wer dazu auch Lösungen weiß oder mindestens vorschlagen kann. Das Gesundheits- und Sozialsystem muss mit hoher Priorität korrigiert werden. Es arbeiten im Kranken- und Pflegebereich Menschen auch aus dem Nachbarkontinent, zum größten Teil aber sind es Leute aus Osteuropa. Hiesige Kräfte werden beschämend unter Wert bezahlt, weil sich unsere Gesellschaft auch darauf verlässt, dass die osteuropäischen Familienstrukturen noch nicht so dekadent sind wie unsere. Wie sonst könnten so viel relativ junge Leute aus diesen Ländern hier denn arbeiten? Macht sich irgendjemand Gedanken, ob diese Menschen in ihrer Heimat nicht fehlen, jetzt, irgendwann?

Zum Hier und Jetzt: Die ewigen Stiefkinder der Finanzpolitik sollten endlich einen, der Realität entsprechenden Fix-Satz vom Bruttosozialprodukt erhalten. Der kann ja jederzeit neu arretiert werden. Lasst endlich mal Kohle rüber- wachsen und nicht nur gesalbte Worte. Warum denk ich gerade an den BER?

Habe die Ehre, Manfred Schauer

Artikel 1 von 11