Neuer Anlauf für Landwirtschaft der Zukunft

von Redaktion

München – Es geht, wie immer in Brüssel, um viel Geld. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik wird wohl trotz Brexit auch in der nächsten Förderperiode der größte Ausgabenblock der EU sein. Bayerns Bauern dürfen mit rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr rechnen. Doch bei der Frage, wie dieses Geld gerecht verteilt werden soll, scheiden sich die Geister.

Die Parlamentsfraktionen von EVP (Konservative), Renew (Liberale) und S&D (Sozialdemokraten) verhandeln derzeit über einen Kompromiss zur neuen Förderperiode, nächste Woche will das EU-Parlament darüber abstimmen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bayerischen Bauernverband gaben EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU), Marlene Mortler (CSU) und Ulrike Müller (Freie Wähler) gestern eine Einschätzung, wohin der Weg führen könnte.

Hauptstreitpunkt ist wie schon vor den vergangenen Förderperioden die Frage, wie viel Geld künftig an konkrete Umweltleistungen geknüpft werden soll. Bislang sollten Verbesserungen in der Umwelt durch das Greening-Programm erreicht werden. Doch das blieb aus Sicht vieler Wissenschaftler wirkungslos, auch deshalb hat sich die EU-Kommission entschieden, es durch ein neues, für die Landwirte freiwilliges Programm zu ersetzen. Bei den sogenannten Eco-Schemes sollen die Mitgliedsstaaten selbst geeignete Maßnahmen vorschlagen, die vor Ort für mehr Umweltschutz sorgen. Weniger „Gleichmacherei“ aus Brüssel kündigt Manfred Weber an. „Wir wollen weg von einem System, das nur das Einhalten von Regeln bezahlt“, sagt Ulrike Müller. „Künftig sollen Landwirte für einzelne Leistungen honoriert werden, die sie persönlich wählen können.“ Darunter könnten laut Müller etwa die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln oder Antibiotika fallen, aber etwa auch Investitionen in neue Precision-Farming-Technologien – zum Beispiel in Drohnen, die dabei helfen, nur da zu spritzen, wo es nötig ist. Doch Streit gibt es darüber, wie groß der Anteil dieser Eco-Schemes am gesamten Fördertopf sein soll. 30 Prozent, und damit in etwa so viel wie im bisherigen Greening-Programm? So könnte es sich etwa die EVP vorstellen.

Für den Grünen-Abgeordneten Martin Häusling ist das zu wenig. „Man kann mit 30 Prozent starten, aber dann müsste der Anteil in den kommenden Jahren weiter erhöht werden, um wegzukommen von den Flächenzahlungen.“ Er sieht im bisherigen Verhandlungsstand keinen Fortschritt gegenüber der aktuellen Förderpraxis. „Wir haben kürzlich im EU-Parlament eine Reduzierung der Treibhausgase bis 2030 um 60 Prozent beschlossen. Ich sehe aber nicht, wie wir das erreichen wollen, wenn wir in der Landwirtschaft weitermachen wie bisher.“

Ebenfalls umstritten ist die Umsetzung der Eco-Schemes. Denn Häusling fürchtet einen Unterbietungswettbewerb der Mitgliedsstaaten, wenn die Umweltschutzmaßnahmen nun national vorgegeben werden. „Ein Orban wird sich da nicht um die europäische Linie scheren. Und dann haben die deutschen Bauern wieder den Nachteil gegenüber ihren Kollegen aus den anderen Mitgliedsländern.“

Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl gibt sich in dieser Frage noch zurückhaltend. „Es wird entscheidend sein, welchen Rahmen Brüssel für diese nationalen Strategiepläne vorgibt.“ Denn egal, ob Deutschland oder Ungarn, sie alle können eigene Umweltschutzvorschläge machen, müssen sie aber dann in Brüssel genehmigen lassen.

Bayerns Landesbund für Vogelschutz sieht in den Verhandlungen in Brüssel eine große Chance, den Artenschutz nach dem Volksbegehren in Bayern auf europäischer Ebene weiter voranzutreiben. „Dafür wäre es aber wichtig, etwa einen verpflichtenden Anteil von zehn Prozent an ökologischen Vorrangflächen festzulegen“, sagt LBV-Agrarreferent Matthias Luy. Heißt: Mehr Blühflächen, Brachen und Hecken, in denen Vögel und Insekten einen Lebensraum finden.

Mit der Abstimmung im EU-Parlament gehen die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten, der Kommission und den Parlamentariern in die nächste Runde. Auf der Suche nach dem finalen Kompromiss droht also noch ein längeres Tauziehen.

DOMINIK GÖTTLER

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