München – Eine von der Staatsregierung geplante Überarbeitung des Hochschulgesetzes von 2006 könnte die langjährige Struktur der Hochschullandschaft grundlegend verändern. Auch wenn es noch keinen offiziellen Gesetzesentwurf gibt, deuten verschiedene Ideenpapiere die Richtung an. Heute sollen im Wissenschaftsausschuss des Landtags elf Experten unterschiedlicher Couleur zu Wort kommen – Streit ist programmiert.
Impulsgeber der geplanten Reform war Ministerpräsident Markus Söder, der in seiner Regierungserklärung zur Hightech-Agenda vor einem Jahr der „unternehmerischen“ Hochschule das Wort redete. Erst vor wenigen Tagen bei einer Veranstaltung der Universität Bamberg hat der CSU-Chef präzisiert, er wolle den Hochschulen mehr Freiheiten geben, sie gar entfesseln und mehr Modernität ermöglichen. Genau in diese Kerbe schlägt ein Papier des Präsidenten der Technischen Hochschule Ingolstadt, Walter Schober, das unserer Zeitung vorliegt. Auch Schober schwärmt von der „Entfesselung der Hochschulen“ und verweist auf die gestiegene Bedeutung von unternehmerischen Ausgründungen – sprich: Start-ups. Die alte „gremiengeführte“ Hochschule ist ihm ein Graus. Es gebe „Gremienhemmnisse“. Das bedeutet: Die traditionellen Machtsäulen der 17 staatlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaft sowie neun Unis wie Fakultätsrat oder Senat sollten abgewertet werden, empfiehlt der Ingolstädter. Der Hochschulrat, ein Mischgremium aus Professoren und externen Fachleuten, soll hingegen noch mehr Kompetenzen erhalten.
Doch es gibt auch Gegenstimmen. Gegen die weitere Entmachtung traditioneller Gremien hat Max-Emanuel Geis, Professor für Hochschulrecht an der Universität Nürnberg-Erlangen, sein Veto eingelegt. Das sei verfassungswidrig. Geis muss es wissen: Er ist auch Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Auch der wissenschaftliche Mittelbau rebelliert gegen Söders Hightech-Agenda: Eduard Meusel ist Lehrbeauftragter für Indogermanische Sprachen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Es ist ein typisches Orchideenfach, gerade einmal zehn Studenten bemühen sich um einen Abschluss in Altindisch oder Iranisch. In anderen Fächern, etwa Albanologie, sind es noch weniger. Doch Meusel, der heute für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Landtag Stellung nehmen wird, gibt zu bedenken: „Die Hochschullandschaft Bayerns zeichnet sich durch die Fächervielfalt aus.“ Und er fragt: Welchem Druck würden kleine Fächer in der „unternehmerischen“ Uni ausgesetzt? Notwendig sei unbedingt eine „Schutzklausel“. Schließlich sei bei ihnen der von Schober angemahnte ökonomische Mehrwert nicht in Zahlen und Euros auszudrücken. Auch die Landtags-Grünen warnen: „Schnelle wirtschaftliche Verwertbarkeit darf nicht zur Hauptmotivation wissenschaftlicher Arbeit in Bayern werden, sonst droht unsere Grundlagenforschung zu verkümmern“, sagt die hochschulpolitische Sprecherin, Verena Osgyan.
Mehr als 70 Fragen sollen die elf Fachleute heute im Landtag beantworten. Unter ihnen ist auch der Alt-Präsident der TU München, Wolfgang Herrmann, den viele als Spiritus Rector der Reform ansehen – und fürchten. Es geht auch darum, ob Unis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts umgewandelt werden und ob sie mehr Kompetenz im Hochschulbau erhalten, es geht ferner um den Numerus Clausus und die Erhöhung des Frauenanteils – letzteres eine besondere Herausforderung, wehrt sich Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) doch mit Händen und Füßen gegen Frauenquoten.