Keine Besuchsgrenze an Allerheiligen

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München/Augsburg – Eigentlich fällt der Allerheiligentag in diesem Jahr günstig: Der Tag, an dem die Menschen traditionell die Gräber ihrer Lieben besuchen, ist ein Sonntag. Zeit genug also, mit der Familie auf den Friedhof zu gehen und vielleicht die alljährliche Gräbersegnung zu erleben. Doch kann der kirchliche Dienst überhaupt geleistet werden?

Denn es gibt eine Regelung, wonach die Teilnehmerzahl für Gottesdienste im Freien auf 200 beschränkt ist. In Karlsfeld (Kreis Dachau) ist die Gräbersegnung im Pfarrverband bereits durch die katholischen Pfarrgemeinden abgesagt worden. Diakon Josef Enthofer erklärt: „Als ,Veranstalter‘ der Gräbersegnung können wir nicht sicherstellen, dass sich zur Gräbersegnung nicht mehr als 200 Personen am Friedhof aufhalten.“ Doch das könne man schon wegen der drei Eingänge zum Friedhof nicht gewährleisten – ganz abgesehen von den vielen Besuchern, die an diesem Tag von auswärts kommen, so der Diakon. Daher würden die Angehörigen gebeten, an den Gräbern zu beten und sie selber zu segnen. Gebete und kleine Weihwasserfläschchen werden am Eingang des Friedhofs ausgelegt. Wortgottesdienste zum Totengedenken in der Kirche finden statt.

Doch gestern gab es eine Wende: Das Innenministerium habe die generelle Beschränkung der Teilnehmerzahl für Gottesdienste im Freien für Allerheiligen aufgehoben, berichtet der Münchner Generalvikar Christoph Klingan unserer Zeitung. Gräbersegnungen und Andachten auf den Friedhöfen könnten stattfinden, so nicht kommunale Regelungen entgegenstünden, ebenso könnten Weihwasser und Weihrauch eingesetzt werden. „Wir befinden uns weiter in sehr herausfordernden Zeiten. Es ist klar, dass wir hier als Kirche für die Menschen da sein wollen. Dafür setzen wir uns ein“, betont er. Gerade an den besonders geprägten Tagen wie Allerheiligen sei es Auftrag der Kirche, Trost und Hoffnung zu spenden mit der Botschaft des Glaubens. Durch den Einsatz der vielen Haupt- wie Ehrenamtlichen „können wir das gewährleisten, wofür ich sehr dankbar bin“.

Vieles sei möglich, wenn die allgemeinen Bestimmungen des Infektionsschutzes beachtet würden. Wenn es örtlich nicht möglich ist, dass die Abstandsregeln eingehalten werden könnten, müssten Masken getragen werden. Auf breiten Wegen dürfte ein Umgang zur Gräbersegnung unter Einhaltung des Mindestabstands aber möglich sein, man könne die Situation auch durch mehrere kürzere Andachten statt einer längeren entzerren: „Im Detail wird vieles natürlich von den örtlichen Gegebenheiten abhängen“.

Auch Stadtpfarrer Andreas Jall aus Starnberg ist erleichtert: „Wir haben den dringlichen Wunsch, bei den Menschen zu sein.“ Allerheiligen sei ein sehr emotionaler Tag. „Wir hatten sehr viele einsame Bestattungen im Lockdown. Ich denke, das gemeinsame Trauern ist da viel zu kurz gekommen. Die Leute leiden unter diesen fast anonymen Bestattungen. Deswegen wollen wir unbedingt mit den Menschen trauern.“

Pfarrer Jall versucht, einen Kompromiss zu finden, der dem Wunsch der Menschen nach Trost und Gemeinschaft entgegenkommt – und gleichzeitig ihre Sicherheit bestmöglich gewährleistet. Das Konzept sieht so aus, dass die Gläubigen gebeten werden, sich nicht wie sonst in einer großen Gruppe auf dem Friedhof zu versammeln – jeder soll zum Grab seiner Familie gehen. „Ich werde mit der Lautsprecheranlage zu den Menschen sprechen und sie einladen, über den ganzen Friedhof hinweg gemeinsam zu beten, gemeinsam die Verstorbenen zu würdigen.“ Dann will Pfarrer Jall die Gräber segnen. Vorher soll es in jeder der fünf Gemeinden der Pfarreiengemeinschaft eine Andacht geben. „Jeder Familie, die einen Angehörigen verloren hat, werden wir einen Brief schreiben und sie einladen. Sie dürfen dann eine Kerze entzünden im Gedenken an den Verstorbenen.“ Die Namen aller Verstorbenen werden vorgelesen.

Sollten die Corona-Zahlen weiter steigen, stehen alle Pläne auf der Kippe. Einen Lockdown aber darf es nach Jalls Ansicht nicht mehr geben. „Das war für uns katastrophal“, sagt er. Klar, es gab Internet-Gottesdienste – aber die Begegnung von Angesicht zu Angesicht sei unersetzbar. Er hat so viele Rückmeldungen bekommen, dass das Osterfest ohne persönlichen Gottesdienst „einfach furchtbar war“. Doch der Pfarrer sieht auch die andere Seite. Er war bei Corona-Sterbenden am Bett. Hat die Gefahr mit eigenen Augen gesehen. „Dieses Virus ist keine harmlose Angelegenheit.“

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