Hoffnung auf Neuanfang

von Redaktion

Vor 75 Jahren entstand das DP-Lager Föhrenwald

Föhren, das ist ein anderes Wort für Kiefern. Inzwischen macht sich die Baumart rar. Zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs war das noch anders. Als die Nazis in den Isarauen eine Siedlung für Arbeiter in den Geretsrieder Pulver- und Munitionsfabriken errichteten, nannten sie den Ort Föhrenwald. Und als die Amerikaner nach dem Krieg die Siedlung übernahmen und dort Juden vor allem aus Osteuropa unter dem Namen „Displaced Persons“ (DP) einquartierten, übernahmen sie den Namen selbstverständlich. Im DP-Lager Föhrenwald fing für viele ein neues Leben an. 75 Jahre ist das her.

Es hätte leicht passieren können, dass dieses Lager in Vergessenheit gerät. 1955 kaufte das Katholische Siedlungswerk die Liegenschaft an, schaffte Wohnraum für Vertriebene und taufte Föhrenwald in Waldram um. Auch die Straßennamen passte man an: So wurde aus dem einstigen Adolf-Hitler-Platz erst der Roosevelt Square und dann der (katholische) Seminar-Platz.

Doch die Geschichte von Föhrenwald ist nicht vergessen. Sie soll präsent bleiben. „Ich glaube, ein derartiges bürgerschaftliches Engagement findet man nicht so oft“, sagt Sybille Krafft aus Icking, Historikerin und Filmemacherin. 2012 gründete sich der Verein „Bürger fürs Badehaus“ mit Krafft an der Spitze und unterstützt von Max Mannheimer, der Wert darauf legte, als Mitglied Nummer eins geführt zu werden. Der Verein kämpfte mit Erfolg dafür, dass das zentrale Gebäude in Föhrenwald/ Waldram nicht, wie von der Diözese geplant, abgerissen wird. Sondern zu einem besonderen Erinnerungsort umgestaltet wird, dem „Badehaus“.

Der Name erklärt sich durch ein jüdisches Ritualbad, eine sogenannte Mikwe, die es im Haus am Kolpingplatz zu Zeiten des DP-Lagers gab. Im Oktober 2018 hatte es der Verein geschafft: Man feierte Eröffnung, stolz auf einen ebenso ungewöhnlichen wie modernen Erinnerungsort.

In eben diesem Badehaus findet am Sonntag, ziemlich genau zwei Jahre nach der Eröffnung, ein Festakt mit 100 geladenen Gästen statt. Geplant war ursprünglich ein großes Zeitzeugentreffen. Doch Corona brachte alles durcheinander. Jetzt ist die Premiere des Films „Von Zeit und Hoffnung“ von Sebastian d’Huc geplant, der via Skype mit Zeitzeugen in Israel gesprochen hat. Justine Bittner erläutert bei einer Vernissage ihre Fotos von Zeitzeugen. Zu den Festrednern zählt Kultusminister Michael Piazolo. Ob der Abend wie geplant über die Bühne gehen kann, ist noch ungewiss. Corona.

Die Bedeutung von Föhrenwald kann man kaum überschätzen. Es handelte sich um das größte und am längsten bestehende Lager für Displaced Persons in ganz Deutschland. Zunächst hielten sich dort Entwurzelte und Vertriebene aller Art auf, bis der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower aus Föhrenwald im Oktober 1945 ein rein jüdisches Lager machen ließ. Zehn Jahre blieb das so, bevor aus Föhrenwald Waldram wurde – heute ein Stadtteil von Wolfratshausen.

Das Leben im DP-Lager war geprägt von der Hoffnung auf einen Neuanfang irgendwo in der Welt. Viele Bewohner wollten so bald wie möglich weg aus dem Land der Täter, nach Israel, Amerika oder sonst wohin. Die amerikanisch-jüdische Hilfsorganisation „Joint“ baute Kindergärten und Schulen auf, auch eine Lagerzeitung mit Namen „Bamidbar“ existierte. Man spielte Fußball und nannte sich „She’erit Hapletah“. Das bedeutet: „Rest der Geretteten“. Mit einer neuen, wenn auch vorübergehenden Heimat in Föhrenwald an der Isar. VOLKER UFERTINGER

Artikel 1 von 11