Lieber Ahorn statt Adler

von Redaktion

Die Große Arnspitze liegt südlich von Mittenwald

Die Große Arnspitze südlich von Mittenwald im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist der Hauptgipfel der Arnspitzgruppe im Wettersteingebirge. Über den 2196 Meter hohen Gipfel verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Österreich. „Ein schöner Berg zum Hinaufsteigen“, sagt der Münchner Namenforscher Wolf-Armin von Reitzenstein. „Nicht zu schwierig, aber mit einer wunderbaren Aussicht. Deswegen war ich selber schon zwei Mal oben.“

Was seinen Namen angeht, verlangt der Berg einem schon mehr ab. „Die Erklärung ist nicht ganz so einfach“, sagt Reitzenstein. So viel sei schon mal verraten: Am Ende geht es um Ahorn.

Wie bei fast allen Bergen gibt es auch bei der Arnspitze verschiedene Erklärungsansätze. Einer ist, dass der Name vom poetischen „Aar“ für Adler herrührt. Das sei durchaus möglich, sagt Reitzenstein. „Aber wegen der alten Sprachformen eher unwahrscheinlich.“ Auch das Tiroler Wort „Norren“ (steiniger Grund) wird mitunter angeführt. Auch eher unwahrscheinlich, sagt Reitzenstein.

In alten Belegen kommt der Berg immer wieder vor. Erstmals in einer Grenzbeschreibung von 1473. „Bis an den Obernspicz am Narren“, steht da geschrieben.

Im Jagdbuch von Kaiser Maximilian I. aus dem Jahr 1500 wird der Berg öfters erwähnt: „Am Nayr“, „Nayrr“ oder „aus dem Narrn“ steht dort zum Beispiel. „Das ist ein interessantes Buch. Das Original liegt in Brüssel“, sagt Reitzenstein. „Es finden sich dort relativ viele Erstbelege von Bergnamen. Der Kaiser hat nämlich von einem Jägermeister aufschreiben lassen, wo es Hirsche und Gämsen zu erlegen gab. Deshalb kam er auch in Höhen, die für Bauern uninteressant waren.“ Bauern, erklärt Reitzenstein, hätten ihre Hausberge nur bis zur Höhe der Viehnutzung benannt. „Die Gipfel waren für sie unwichtig. Bei den Jägern war das anders. Da ging es weiter hinauf.“

Auch das Hochstift Freising, das über Jahrhunderte im Werdenfelser Land das Sagen hatte, liefert eine Quelle. In einer Grenzbeschreibung des Hochstifts von 1536 heißt es: „In den Nauen genant“ und „Item von dem Nauen hinump“. In einem anderen Beleg von 1790 heißt der Berg „Arn Spitz“, und in einer Karte von 1960 taucht die Flurbezeichnung „Oarn“ auf.

Dieses „Oarn“, erklärt Reitzenstein, weise sprachwissenschaftlich auf Ahorn hin – vielmehr auf einen Ahornwald. Und was ist mit „Narrn“? Ganz einfach, sagt Reitzenstein. Wenn man das „N“ als Endung eines Artikels ansehe, komme man zu „den Arrn“ – also den Ahorn.

Ja, ganz einfach – für einen Namenforscher.

WOLFGANG HAUSKRECHT

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