„Ich wollte nie, dass so was passiert“

von Redaktion

VON JOSEFINE KAUKENMÜLLER

Augsburg – „Unsere Stimmung war gut“, erinnert sich der 17-Jährige an den Nikolausabend vergangenen Jahres. Nur der Tabak habe ihm und sechs Freunden bei ihrem feuchtfröhlichen Zug durch die Augsburger Innenstadt gefehlt. Am Königsplatz fragte einer von ihnen einen Passanten nach einer Zigarette, es kam zum Streit, der 17-Jährige schlug zu. Mit einem einzigen Faustschlag tötete er den 49-Jährigen: einen Familienvater und Feuerwehrmann, der gerade mit Frau und einem befreundeten Paar vom Weihnachtsmarkt gekommen war.

Seit gestern arbeitet die Jugendkammer des Augsburger Landgerichts nun den Fall auf, der bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Dem 17-jährigen Hauptangeklagten wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge vor. Dem Opfer riss durch die Wucht des Schlages eine Schlagader am Kopf, der 49-Jährige kam durch eine Hirnblutung innerhalb kürzester Zeit ums Leben.

Mit gesenktem Kopf verfolgt der junge Mann die Verlesung der Anklage, hinter ihm sitzen seine Eltern. Den tödlichen Schlag räumt der 17-Jährige direkt zu Prozessbeginn ein. „Ich wollte niemals, dass so etwas passiert“, heißt es in seiner Erklärung, die er von seinen Verteidigern verlesen lässt.

Nachdem einer seiner Freunde den 49-Jährigen nach der Zigarette gefragt habe, habe dieser den jungen Mann zu Boden geschubst, erklärt er. Er habe Angst um seinen Freund gehabt und sei handgreiflich geworden: „Ich versetzte ihm einen Faustschlag, er ging sofort zu Boden.“ An die weiteren Ereignisse erinnere er sich nur verschwommen. Vor der Tat hätten die Jugendlichen viel Alkohol getrunken.

Neben dem 17-Jährigen sitzen auch zwei junge Männer aus der Clique im Alter von 18 und 20 Jahren auf der Anklagebank. Gemeinsam mit dem 17-Jährigen, der die deutsche, libanesische und türkische Staatsangehörigkeit besitzt, wird ihnen vorgeworfen, nach dem tödlichen Schlag den 50 Jahre alten Begleiter des Getöteten verprügelt zu haben. Der 18-Jährige sagt in seiner Erklärung zu Prozessbeginn, er könne sich erinnern, mit der Faust zugeschlagen zu haben, wisse aber nicht mehr alles. „Ich bin mir sicher, dass das alles nicht passiert wäre, wenn alle nüchtern gewesen wären.“ Bei dem verletzten 50-Jährigen, der im Prozess als Nebenkläger auftritt, entschuldigt er sich. Auch der 20-Jährige spricht von großen Erinnerungslücken und sagt: „Diese Ereignisse sind nicht zu entschuldigen und nicht wieder gut zu machen. Ich schleppe diese Schuld seit fast einem Jahr mit mir.“

Nach den Erklärungen der Angeklagten werden Aufnahmen der polizeilichen Videoüberwachung des Königsplatzes und einer Taxikamera gezeigt. Im Prozesssaal ist es still, während die Videos der Tat laufen. Nach der Schlägerei waren die Jugendlichen geflüchtet, konnten aber schnell ermittelt werden. Die Videokameras hatte die Polizei an dem belebten Platz im Zentrum Augsburgs montiert, weil der Königsplatz ein bekannter Kriminalitätsschwerpunkt in der Stadt ist.

Mehrere junge Männer aus der Gruppe schildern den Ablauf des Abends ähnlich wie die Angeklagten. Alle seien gut drauf gewesen, Streit hätten die Jugendlichen nicht gesucht. Das beurteilt der 50-jährige Nebenkläger in seiner Aussage anders: Wie die Videoaufnahmen zeigten, sei die Stimmung aggressiv gewesen. Er habe den tödlichen Schlag gegen seinen Freund nicht gesehen.

Wie genau er selbst verprügelt worden sei, könne er nicht mehr sagen – es sei alles sehr schnell gegangen. Im Krankenwagen habe er dann vom Tod seines Freundes erfahren. Durch Schläge und vermeintlich auch Tritte habe er unter anderem einen Jochbeinbruch und einen Bruch der Kieferhöhle erlitten, sei wochenlang krankgeschrieben gewesen und leide bis heute unter Taubheitsgefühlen im Gesicht. Entschuldigungen könne er nicht annehmen: „Das ist durch nichts zu entschuldigen.“

Der Hauptangeklagte wirkt in dem Verfahren vor den Richtern ruhig und aufgeräumt. Zwar habe er sich in der U-Haft gedanklich auf den Prozess einstimmen können, sagt sein Verteidiger, die Anspannung sei aber trotzdem groß. Man dürfe nicht vergessen, dass er immer noch „ein 17-jähriger Bursche“ sei.

Der Prozess soll heute mit den Aussagen der Ehefrauen der beiden Opfer fortgesetzt werden. Bislang sind noch sieben Verhandlungstage geplant, das Urteil könnte Anfang November verkündet werden.

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