Ehemalige Nonne verklagt ihr Kloster

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

Sachsenkam – Die Fronten sind verhärtet: Eine ehemalige Ordensfrau und die apostolische Kommissarin im Kloster Reutberg bei Sachsenkam (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) sind sich gestern vor dem Landesarbeitsgericht in München gegenüber gestanden. Grund ist ein Streit um die Kündigung eines Arbeitsvertrages.

Die 47-jährige Klägerin war früher als Nonne im Kloster Reutberg für die Land- und Forstwirtschaft zuständig. Im August 2018 – damals stand die Schließung des Klosters im Raum – trat sie aus dem Orden aus. Mittlerweile ist sie verheiratet, ein Wiedereintritt ins Kloster käme für sie nicht infrage, erklärte sie. Die Frau wurde nach ihrem Austritt angestellt, um sich als Landwirtschaftsmeisterin weiterhin um die klösterliche Landwirtschaft zu kümmern. Ihr Arbeitsvertrag beinhaltete auch eine Wohnung auf dem Klostergelände. Die Erzbischöfliche Finanzkammer München genehmigte den Vertrag.

Die Wende kam im Oktober 2018 per Dekret aus dem Vatikan: Das Kloster soll weiter bestehen, lautete die Anordnung aus Rom. Außerdem wurde Schwester Benedicta Tschugg als Kommissarin eingesetzt. Vor der Umsetzung von „Entscheidungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ müsse sie sich jedoch die Zustimmung einholen, heißt es in dem Dekret.

Schwester Benedicta stellte fest, dass die Landwirtschaft in der derzeitigen Form defizitär sei. Um sie umorganisieren zu können, kündigte sie den Arbeitsvertrag der Landwirtschaftsmeisterin. Diese zog vor Gericht und bekam in der ersten Instanz Recht.

Bei der Berufungsverhandlung stellte die Vorsitzende Richterin jetzt klar, dass bei dem Fall eine Frage besonders wichtig sei: Hatte Schwester Benedicta vor der Kündigung die dafür laut Dekret nötige Zustimmung? Ja, argumentierte die Ordensfrau. „Wir haben Austausch gehabt“, sagte sie und erklärte, bei einer Romreise die Thematik mit den Zuständigen besprochen zu haben. Sie legte ein Schreiben vor, in dem die Kongregation bestätigt, in die Kündigung „eingebunden“ gewesen zu sein und dass die Kommissarin „in vollem Umfang“ die Befugnisse dafür gehabt habe.

Die Vorsitzende Richterin machte jedoch auf die „feinen Unterschiede im Arbeitsrecht“ aufmerksam. „Eingebunden zu sein, ist keine Zustimmung“, erklärte sie. Es fehle der konkrete Nachweis, dass es diese gegeben habe. Sie plädierte für eine einvernehmliche Einigung.

Der Anwalt der Landwirtschaftsmeisterin schlug daraufhin vor, dass das Kloster doch die Land- und Forstwirtschaft an seine Mandantin verpachten könnte, „für einen symbolischen Betrag“. Die Verpachtung solle bis zur Rente der Frau laufen. „Dann wäre das Kloster die Sorgen mit der Landwirtschaft los“, sagte er. Doch diese Lösung kommt für das Kloster nicht infrage. Auch über eine Abfindung wurde diskutiert. Zwischen 200 000 und 250 000 Euro netto solle der 47-Jährigen bleiben, forderte deren Anwalt. Das bedeute, dass rund eine Million Euro fällig wäre. Denn zum einen müsse die Abfindung versteuert werden. Zum anderen müssten darin auch alle Sozialversicherungsbeiträge bis zum Renteneintritt enthalten sein, erklärte er.

Die Richterin schätzte das anders ein. „Ich halte es für zu hoch gegriffen“, sagte sie. Sie schlug 250 000 Euro Abfindung und das Recht, noch ein Jahr auf dem Klostergelände wohnen zu dürfen, vor. „Dann können Sie nach vorne schauen“, riet sie der Klägerin und gab zu bedenken, dass ein belastetes Arbeitsverhältnis nie einfach sei.

Zu einer Einigung kam es trotzdem nicht. Also fiel ein Urteil: Die Kündigung ist unwirksam, das Arbeitsverhältnis hat Bestand. Womöglich werden sich die beiden Parteien bald wieder vor Gericht treffen: Es gibt auch noch einen Rechtsstreit um das Gehalt der 47-Jährigen.

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