MASSGESCHNEIDERT

VON HERBERT SCHNEIDER Wotan lässt grüßen…

von Redaktion

Wer erinnert sich noch an Wotan? Er wohnte seinerzeit in Walhall, hatte dort ein Luxus-Appartement, alles in deutscher Eiche, und um diese Zeit herum ging er immer gern auf die wilde Jagd. Er ritt dabei auf einem weißen Schimmel (weil’s schwarze nicht gibt), trug ein ganz verwegenes Goaßbuamhüatl und eine Art Lodenkotze. Über den schnürbestiefelten Füßen hatte er Wickelgamaschen. Und während er so an der Spitze seines wilden Haufens dahingaloppierte, umflatterten ihn heiser krächzend zwei Raben. Dass wir des Obersten der Asen so schnell vergaßen?

Als es in diesen Nächten vor dem Fenster rumpelte und pumpelte und die Windsbraut mit ihrem Verlobte, dem Sturm, ums Haus heulte, vielleicht dachten da aber doch ein paar späte Nachfahren der alten Germanen an ihn?

Angenommen, Wotan lebte noch, säße vielleicht in einem Altenheim für abgeschaffte Götter in irgendeinem verlorenen Winkel des Himmels und könnte einen Blick auf sein altes Germanien werfen, da fragte er wohl als Erstes, wohin denn die riesigen Wälder von ehedem gekommen wären.

Und dann müssten wir antworten: Die Wälder haben wir verheizt, vermöbelt und verillustriert, oh Wotan, und weil wir das getan haben, müssen wir jetzt teures Öl verbrennen, dass es zum Himmel stinkt.

Und meine Auerochsen, deren Hörner sich meine alten Germanen so gerne auf den Kopf schnallten, wo sind die geblieben?

Ausgerottet, Wotan! Aber Hirsch und Reh, Hase und Fuchs sind teilweise noch vorhanden.

Und Wölfe?

Nur ein paar Zuwanderer aus dem Osten, Wotan!

Und was machen die Römer?

Die Römer? Die betreiben Pizzerias, Eisdielen und Restaurants in Germanien.

Darauf Wotansches Kopfschütteln. Und die Frage: Welches Haus regiert überhaupt zurzeit meine ehemalige Diözese?

Das Haus Merkel, müssten wir antworten. In der Person von Angela, der Entrückten. Aber ein Fürst aus dem Süden, Markus geheißen, will ihr den Rang streitig machen. Zunge haben beide eine gar scharfe. Ja, mit dem Mäu haben auch manche meiner alten Germanenfürsten viel zerrissen! Werde ich eigentlich in Germanien noch verehrt, würde Wotan weiterfragen. Nur noch in abgelegenen Gegenden, wie etwa in England. Dort haben sie den Mittwoch nach dir benannt. Allerdings unter dem ein wenig kindischen Namen „Wensdäi“.

Besser wie nichts, würde Wotan antworten. Zum Dank für deine Auskünfte will ich jetzt noch einen Vers zitieren, den wir in Walhall kurz nach der Zeitenwende als junge Asen gern aufsagten. Er ging so: Hermann der Cheruskerfürst handelt mit de Leberwürst, geht die Straße auf und ab: Kaffts ma meine Würstl ab! Geht die Straße auf und nieder, gebt’s mir meine Würstl wieder!

Ja, das ist gut, würden wir freudig bewegt rufen, das haben wir ja als Kinder auch immer gesagt! Das nennt man göttliche Eingebung!

Und darauf würde es vielleicht draußen einen furchtbaren Kracherer tun, der sich aber wie ein wilder Juhuschrei anhörte, und wenn wir nun das Fenster gegen den Herbststurm öffneten, dann sähen wir möglicherweise einen unserer Fensterläden zerschmettert auf der Erde liegen.

Wotan ließ grüßen!

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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