Pullach – „Eigentlich müsste man draußen jetzt die Kinder toben hören“, sagt Andreas Bedacht und deutet auf die Grünflächen vor dem Fenster des Seminarraums. Doch dort ist alles ruhig. Hier in der Burg Schwaneck in der kleinen Gemeinde Pullach vor den Toren Münchens zählt man normalerweise zwischen 27 000 und 30 000 Übernachtungen im Jahr. In diesem Jahr werden es wohl nur rund 10 000 sein. „Bis nächstes Jahr halten wir noch durch“, sagt Herbergsleiter Bedacht.
Seitdem durch die Corona-Krise keine Klassenfahrten mehr stattfinden, bleiben in vielen Jugendherbergen die Betten leer. Nur in touristisch beliebten Regionen können erwachsene Gäste die Verluste ein wenig abfedern. Trotzdem geraten immer mehr Jugendherbergen in finanzielle Bedrängnis. Nach Berechnungen des Deutschen Jugendherbergswerks in Bayern verlieren die Häuser in der Krise allein in diesem Jahr rund sechs Millionen Euro Umsatz. Das können auch die zugesagten staatlichen Hilfen langfristig nicht auffangen.
Die Burg Schwaneck stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und thront hoch oben über dem Isartal. Sie ist eine von 58 Jugendherbergen in Bayern, als Träger fungiert der Kreisjugendring München-Land. 42 Jugendherbergen stehen in unmittelbarer Trägerschaft des Landesverbandes Bayern. Dort arbeitet Marko Junghänel als Pressesprecher, auch er sagt: „Den Jugendherbergen geht es schlecht.“ Da es wegen Corona keine Klassenfahrten mehr gibt, ist der Umsatz eingebrochen, er liegt bei nur mehr rund 40 Prozent des Üblichen. Und das im 111. Jubiläumsjahr der Gründung des Jugendherbergswerkes, einem gemeinnützigen Verein. Die Gründungsidee: Junge Menschen sollten, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern, die Welt entdecken, Gemeinschaft erleben und den Horizont erweitern. In Deutschland gibt es rund 450 dieser Einrichtungen.
In Bayern gibt es bei den Auswirkungen der Corona-Krise regionale Unterschiede. Während es in den Städten zu einem Rückgang der Besucherzahlen kam, hatten auch hier touristische Regionen wie das oberbayerische Alpenvorland Zuwächse zu verzeichnen – bei Familien und Senioren. Denn die machten in Zeiten der geschlossenen Grenzen vor allem Urlaub in Deutschland und entdeckten die Jugendherbergen als neue Übernachtungsmöglichkeit.
Für den Pullacher Herbergsleiter Andreas Bedacht ist das keine wirkliche Alternative: „Familien nehmen wir gerne, sie sind aber nicht so ganz unsere Zielgruppe.“ Denn in Pullach ist der Jugendherberge ein Fort- und Weiterbildungszentrum angegliedert, dort stehen pädagogische Aktionen im Vordergrund. „Wir haben keine Probleme, 30 Personen in einem Raum mit Mindestabstand unterzubringen“, erläutert Bedacht. Sie stehen aber trotz des ausgearbeiteten Hygienekonzeptes leer. Der derzeitige Ausflugsstopp für Schulklassen gilt bis zum Januar nächsten Jahres. „Ich kann nur hoffen“, sagt Herbergsleiter Bedacht, „dass danach wieder Klassenfahrten möglich sind. Und das vor allem der Schüler wegen.“ RUDOLF STUMBERGER