Unter dem Brenner droht der Stillstand

von Redaktion

VON JOHANNES WELTE

München/Innsbruck – Als man 2009 mit dem Bau des Brennerbasistunnels begann, hieß es, dass es 2028 so weit sein werde, dass man mit dem Zug in vier Stunden von München nach Verona fahren könne – eineinhalb Stunden schneller als bisher.

Doch der Plan wird sich wohl verzögern: Die Brenner Basistunnel BBT SE gab gestern bekannt, dass sie den 2018 abgeschlossenen Bauvertrag für das 15 Kilometer lange Teilstück zwischen Pfons in Tirol und Brenner mit der Arbeitsgemeinschaft (Arge) H51 gekündigt hat – das ist ein Zusammenschluss von Bauunternehmen rund um den Wiener Bauriesen Porr AG, die den Zuschlag für das 966 Millionen teure Teilstück bekommen hat. Drei Kilometer des Tunnelstücks sind schon vorgetrieben. „Hauptgrund für die Vertragsauflösung sind die endgültige Leistungsverweigerung und Leistungsverzögerungen in mehreren zentralen vertraglichen Punkten und der nunmehr eingetretene Vertrauensverlust“, erklärt die BBT.

Die Arge ist der Meinung, dass die von den Auftraggebern bestellten Betonteile (Tübbinge), aus denen die Tunnelwand hergestellt wird, mit 40 Zentimeter zu dünn geplant sind. Man habe „eine kostenneutrale Lösung“ mit stabileren Tübbingen vorgeschlagen, auf dieses Angebot aber keine Antwort bekommen. Porr-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Strauss sagte gestern: „Seit nunmehr mindestens zwei Jahren wissen Vorstand und Aufsichtsrat der BBT SE, dass sie bei der Ausschreibung einen Fehler gemacht haben, der die Sicherheit des Tunnels gefährden würde.“ Die BBT wolle Aufsichts- und Managementfehler kaschieren. Die sagt nun, das Ersatzkonzept der Porr AG sei „bauwirtschaftlich und rechtlich nicht tragfähig“ gewesen und will den Bauauftrag neu ausschreiben. Das heißt, dass es zu einem zeitraubenden Rechtsverfahren kommt. Österreichische Medien spekulieren, dass die Neuausschreibung die für 2030 geplante Fertigstellung des Tunnels „drei bis fünf Jahre zurückwerfen“ wird.

Aber auch die Baukosten dürften davongaloppieren. Laut einem von der Porr AG in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten müsse die BBT nicht nur den entgangenen Gewinn, sondern auch die Kosten für Leistungsbereitschaft und Technik bezahlen. „Das kann schon in die Nähe der ursprünglichen Auftragssumme kommen“, so der Gutachter Professor Andreas Kletecka. Außerdem dürften die Baukosten bei einer neuen Ausschreibung wesentlich höher liegen. Die BBT SE sieht sowohl den Zeit- als auch auch den Kostenplan nicht gefährdet: „Beim Projekt des BBT sind als Risikovorsorge sowohl Puffer für die Bauzeit als auch für die Baukosten grundsätzlich eingeplant“, sagte Sprecher Andreas Ambrosi.

Der 55 Kilometer lange Brenner-Basistunnel beginnt am südlichen Stadtrand von Innsbruck, unterquert den Alpenhauptkamm östlich des Brenners bis zu 1720 Meter unter der Oberfläche und endet bei Franzensfeste in Südtirol. Er soll dem Güter- als auch dem Personenverkehr dienen. Das ganze Tunnelsystem – also alle drei Röhren samt seitlicher Zugangsstollen – wird einmal 230 Kilometer lang sein. Gut 130 Kilometer sind jetzt rausgebrochen. Auf die Brenner-Zulaufstrecke in Bayern dürfte die Verzögerung keine Auswirkung haben. Die Deutsche Bahn geht von einer Fertigstellung zwischen 2038 und 2040 aus.

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