Der unvergessene Volksheilige Rupert Mayer

von Redaktion

VON BARBARA JUST

München – Das Kaufhaus mit der opulenten Fassade in der Münchner Fußgängerzone mag auffälliger sein als die nur wenige Schritte entfernte Bürgersaalkirche. Mancher übersieht sie gar, doch viele wissen diesen Rückzugsort zu schätzen. Hier, am Grab von Jesuitenpater Rupert Mayer (1876-1945), finden sie Ruhe vor dem Trubel. Es bleibt Zeit, ein Gebet zu sprechen, eine Opferkerze aufzustellen und mit der rechten Hand die Bronzebüste des Seligen zu berühren. Am 1. November ist es 75 Jahre her, dass der Ordensmann starb.

Allerheiligentag 1945: Obwohl gesundheitlich angeschlagen, hält der Jesuit in der Kreuzkapelle neben der zerstörten Michaelskirche den Acht-Uhr-Gottesdienst. Der 69-Jährige stellt die Eucharistie in die Mitte seiner Predigt. Aus dieser „Nahrung“ schöpften die Menschen ihre Kraft zum Einsatz für den Nächsten. „Es ist der Herr“, sagt der Pater mit kräftiger Stimme, doch er bringt den Satz nicht zu Ende. Zweimal noch sind leise die Worte „der Herr, der Herr“ zu vernehmen. Dann wird es totenstill in der Kapelle. Alle schauen auf den Prediger, der da vorn in der Kirche steht – verstummt, aber aufrecht. Seine Prothese, die er seit einer Amputation des linken Beines trägt, hält ihn. „Selbst im Tod ist Pater Mayer nicht umgefallen“, sagen später die Münchner – und würdigen damit die Lebensleistung eines Mannes, der schon früh gegen die Nationalsozialisten kämpfte und sich für Arme und Schwache einsetzte.

Eine Ärztin stellt einen Gehirnschlag fest. Mayer wird in eine Klinik eingeliefert, wo er um 11.10 Uhr stirbt. Die Nachricht vom Tode des Sozialapostels verbreitet sich schnell. In den nächsten Tagen strömen Tausende zum im offenen Sarg aufgebahrten Pater. Genauso viele mögen es gewesen sein, als er am 4. November in Pullach auf dem dortigen Ordensfriedhof begraben wurde.

Im Mai 1945 war der Jesuit aus dem Kloster Ettal ins zerbombte München zurückgekehrt. Seit 1940 hatte er bei den Benediktinern Zuflucht gefunden, nachdem die Kirchenleitung den geschwächten Mann nach mehrmaligen Verhören und einer Inhaftierung im Konzentrationslager Sachsenhausen aus der Schusslinie der Nazis genommen hatte. Nun setzte er sich wieder als Präses der Marianischen Männerkongregation für die Belange der Menschen ein. In vielerlei Nöten wandten sich die Münchner an den „Fünfzehnten Nothelfer“: wenn sie eine Wohnung suchten, Kleidung oder etwas zu essen brauchten oder Hilfe bei der Entnazifizierung. Der Jesuit ging selber zu Ämtern, um zu vermitteln. Die Not der Menschen lindern und das Wort erheben, wo es nötig ist, lautete seine Maxime. Papst Johannes Paul II. sprach den NS-Widerstandskämpfer 1987 selig. Seine Heiligsprechung steht noch aus – es fehlt am Wunder.

Zum Abschied eine kleine Rose

Zeitzeugen erinnern sich an Pater Rupert Mayer, von Andreas Schaller, 96 S., 9,90 Euro, Verlag Sankt Michaelsbund

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