UNSERE HEIMATSPITZE

Von türkischen Nikolausen und welschen Ochsenheiligen

von Redaktion

VON BEZIRKSHEIMATPFLEGER NORBERT GÖTTLER

Wenn an diesem Wochenende Allerheiligen gefeiert wird, so kommt man nicht umhin, unserem Kulturraum eine diesbezüglich flache Personaldecke zu konstatieren. In jenen frühen Zeiten, als es Mode wurde, heilig zu werden, war Altbayern ein abgelegener Zipfel des sich auflösenden Römischen Reiches und darauf angewiesen, von fremdländischen Aushilfslehrern Katechismus-Unterricht zu bekommen.

Schon die Christianisierung erfolgte durch ortsunkundige Touristen, wie die französischen, irischen und schottischen Wanderprediger Korbinian, Emmeram, Rupert und Virgil. Finstere Gestalten, vor denen – wie die Quellen überliefern – nicht nur die kleinen Bajuwaren-Kinder Reißaus nahmen!

Später verehrten die Bayern vor allem Heilige wie die Italiener Benedikt, Franziskus und Katharina, den Anatolier (um nicht zu sagen Türken) Nikolaus, sowie die spanischen und französischen Theresias aus Avila und Lisieux. Einheimische Heilige – ziemliche Fehlanzeige!

Generationenlang wurden bayerische Kinder nach fremden Vorbildern benannt, andere brachten es zumindest zu Viehpatronen.

Der Franzose Leonhard etwa oder der Ägypter Antonius, den die Bayern „Sautoni“ nennen. Erstens, weil er für das Wohl der Schweinezucht verantwortlich zeichnete, zweitens, um ihn nicht mit dem italienischen Antonius von Padua zu verwechseln. Den brauchen sie nämlich, wenn sie etwas verloren oder verlegt haben.

In Sachen Insignien war man ebenfalls kreativ. War der besagte Heilige Leonhard von Limoges, dessen Gedenktag in einer Woche gefeiert wird, ursprünglich dafür bekannt, dass seine Wunderkraft die Ketten von politischen Gefangenen sprengen konnte, so machten ihn die Bayern wegen seiner Ketten-Insignie kurzerhand zum Viehpatron ihrer ortsansässigen Ochsen und Kühe.

Ob er deren Ketten jemals gesprengt hat, ist hingegen nicht verzeichnet, aber man kann sich ja schließlich nicht um alles kümmern!

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