München – Noch ist der Grabstein nicht da, ein Holzkreuz und viele Blumen schmücken das Grab auf einer Lichtung im Grünwalder Friedhof. Autogeräusche dringen von der Straße herüber – das Leben. Mit der Stille hat es der Regisseur und Kameramann Joseph Vilsmaier ja auch nie gehabt, deshalb hat er im März mit 81 Jahren sein ewiges Platzerl nur wenige Meter vom Highway hoam, Richtung München, gefunden, wo am Weg auch noch das Büro seiner Perathon Film liegt.
Dort hat der Filmemacher in seinen letzten Lebenszügen noch an „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ gearbeitet – mit Bully Herbig in der Titelrolle. Der Sepp hat es auch geschafft, mit seiner ganzen bayerisch-sturen Willenskraft – der Film ist so gut wie fertig geworden. Jetzt bringen ihn die Töchter Janina (34, Filmhändlerin in London), Theresa (31, promovierte Ärztin) und Josefina (27, PR-Agentin) gemeinsam mit Michael „Bully“ Herbig und dem Verleih Leonine in die Kinos (Start ist am 17. Dezember).
In seinen Töchtern und seinen Filmen lebt der Heimatfilmer Vilsmaier weiter. Aber es sind auch die vielen kleinen Dinge, die ihm Präsenz im Irdischen verleihen. Eine kleine Spurensuche – zum Fest Allerheiligen, bei dem diesem ganzen großen Verlust durch den Tod gedacht wird, wo aber doch immer noch so viel im Leben spürbar ist.
Da wäre das Harlachinger Haus, das der Sepp mit seiner Frau, der früh verstorbenen Schauspielerin Dana Vavrova, vor 25 Jahren gebaut hat. Die Kinder sind dort groß geworden; auch der Essigbaum und die Rosen. Vilsmaiers erste Tat am Morgen war stets, alle zu umsorgen und den Garten eineinhalb Stunden lang zu gießen. Seit er gegangen ist, haben sich die drei Töchter die Aufgaben geteilt. Dank des Lockdowns verbrachten sie den Sommer weitgehend alle zusammen in dem Haus, wo sich der Papa am 11. Februar auf den Weg zu seiner Dana in die Ewigkeit gemacht hat. Zuvor hat er seinen Mädels noch mitgegeben: „Net woana, wir nehmen des jetzt sportlich, i hab ois g’habt!“
Der Sepp konnte nicht nur überbordend herzlich, sondern auch pragmatisch sein. Es kam deshalb nur ein Friedhof mit direkt angrenzendem Parkplatz infrage, damit der Besuch für die Töchter keine Last wird. Oder für die Freunde, die den Sepp nicht nur auf Gottes Acker, sondern auch immer noch in seinem Haus besuchen, auch wenn er da nicht mehr leibhaftig sitzt, aber Janina, Theresa und Josefina sind da. So bleibt etwa für Vilsmaiers ältesten Freund, den Kameramann Gernot Roll, einiges beim Alten: Jetzt schaut er mit Vilsmaiers Töchtern das Champions-League-Finale oder grillt mit ihnen im Garten – samt Tochter Laura Roll natürlich, die wie eine Schwester für die Mädels ist.
Immer dabei ist auch Hanni Vilsmaier – Sepps erste Frau, die für Danas Töchter wie eine zweite Mutter wurde und mit 80 Jahren noch das Büro der Perathon Film am Bavariafilmplatz schmeißt. Die Oldies, wie all diese Menschen im Familienjargon heißen, sind die Verbindung von der Erde in den Himmel und zurück.
Im Wohnzimmer ist noch alles so gut wie unberührt – Sepps Sessel steht genauso an seinem Platz wie das Klavier, auf dem er virtuos war – er hatte am Konservatorium studiert. Und auf dem Flügel steht der Humidor mit Sepps Zigarren. Nur für den Fall, dass… Überhaupt – es hat sich nicht viel verändert, Vilsmaiers Sachen sind noch alle da. Auch sein iPhone, wo die halbe Welt verzeichnet ist. Wann immer was war, sagte der Sepp: „Da kenn i oan, den ruaf i o.“ Vermutlich war das auch sein Spruch, als ihn das Boandlmobil fürs Paradies abgeholt hat, denn dort oben kennt er ja etliche, allen voran seine große Liebe Dana.
Das Handy – das war immer der direkte Draht zu Sepps Töchtern, auf die er unendlich stolz war. Praktisch stündlich hat er sie angerufen, nur um zu sagen: „Alles okay? Du, ich hab jetzt grad gar keine Zeit, ich ruf dich später wieder an.“ Dass er nicht mehr am Display aufleuchtet, ist für alle ein besonders spürbarer Verlust. Vermutlich auch im Sommer, als die Mädels in ihrer zweiten Heimat Cepice im Böhmerwald waren – mit den tschechischen Großeltern, die Danas Grab in Prag umsorgen. Am 9. August ist der Geburtstag der Mama. Bestimmt hatten die Töchter da das Gefühl, dass die Dana und der Sepp da oben Party feiern.
Ja, sie sind immer präsent im irdischen Leben. Die Töchter haben ja auch die Talente geerbt; die Schönheit der Mutter, dieses Lachen und die unbändige Lust am Leben. Als Kinder haben die drei oft in Sepps Filmen mitgespielt, wie in „Marlene“ oder „Bergkristall“. Ob sich die drei irgendwann in der Filmbranche wiederfinden? Die Zeit wird es zeigen. Doch vor allen anderen Plänen müssen Janina, Theresa und Josefina als Geschäftsführerinnen der Perathon Film erst einmal das letzte Werk ihres Vaters in die Kinos begleiten – zusammen mit Bully Herbig.
Und wenn sie da so sitzen, im Büro, mit Hanni die Post durchgehen und sich fragen, wie Papa dieses oder jenes entschieden hätte, dann riechen sie auch die Stumperl, die Virginias, die sich der Sepp immer reingezogen hat. Jetzt verpestet er halt die Luft im Paradies und macht mit dem Boandlkramer seine Witze, während sein Schreibtisch da unten noch so unberührt wie seit seinem Tod dasteht.