Berchtesgaden – Die Umsätze im Keller, die Stimmung auf dem Tiefstand. Und in der Fußgängerzone: gähnende Leere. In Berchtesgaden sind zwei Wochen lokaler Lockdown vorbei. Der Übergang in den bundesweiten Teil-Lockdown war fließend. Noch bis mindestens Ende November bleiben Restaurants, Bars und Hotels dicht. „Wie das alles weitergehen soll, weiß ich nicht“, sagt Wirt Peppi Haslinger vom Traditionsgasthaus Goldener Bär. Das Wirtshaus liegt zentral. Ware für Zehntausende Euro hat er in den Tiefkühltruhen. Das To-go-Geschäft läuft schleppend, sagt er.
So geht es den meisten Gastronomen. Der Lockdown in Berchtesgaden hat Spuren hinterlassen. „Ich kaufe schnell ein und geh dann nach Hause“, sagt eine Frau. Sie ist kurz angebunden. Die Maske, die sie trägt, ist seit wenigen Tagen im Ortszentrum keine Pflicht mehr. Obwohl die 7-Tage-Inzidenz weiterhin im kritischen Bereich liegt. Seit gestern allerdings erstmals tiefer als am 20. Oktober – dem Tag, als der lokale Lockdown in Kraft trat. Die Inzidenz liegt aktuell bei 216 – der Lockdown begann mit einem Wert von 236. Für die Berchtesgadener aber ein schwacher Trost.
„Das ist alles nicht nachvollziehbar“, sagt Stefan Krohs. Er arbeitet in einem Sport-Fachgeschäft. „Unsere Umsätze sind auf zehn Prozent des Vorjahres gesunken“, sagt er. Berchtesgaden sei eine Geisterstadt geworden. „Ohne Gäste und geöffnete Gastronomie kommt keiner zum Einkaufen.“ Geschäftsführer Hans Krenn sagt, die vergangenen Wochen seien ein „Desaster“ gewesen. „Einheimische trauen sich nicht mehr rein.“ Im Sommer konnten sich die beiden Verkäufer nicht beklagen: „Wir hatten viele Gäste, gute Kunden.“ Die Hygienemaßnahmen zeigten Wirkung. Für die strikten Ausgangsbeschränkungen hatte Krenn noch Verständnis. „Aber die Geschäfte sollten offen bleiben.“
Die Region hat 34 000 Betten. Die größten Hotels der Region waren Mitte Oktober voll belegt, genau wie die Campingplätze. Dann mussten alle Gäste von heute auf morgen abreisen. 2500 waren es, schätzten die Touristiker. Die Wirte und Hoteliers glauben, dass es deutlich mehr waren. Was fehlt, ist die Planungssicherheit, sagt Wirt Haslinger. 20 Angestellte sind in Kurzarbeit, der Berchtesgadener Advent ist abgesagt, über den Winter kommen nur wenige Urlauber. Es könnten düstere Monate werden für die Berchtesgadener.
Ganz so düster ist die Stimmung im Integrativen Haus der Kinder in Bischofswiesen nicht mehr. Seit Anfang dieser Woche sperrt Sabine Krieger wieder auf. 112 Kinder betreut ihr Team. Während des zweiwöchigen Stillstands waren lediglich 20 Kinder in der Notbetreuung. „Für viele Eltern war das eine Katastrophe“, sagt sie. Kitas zu schließen, sei die schlechteste aller Maßnahmen.
Der Konditormeister Jakob Neumeier und sein Bruder Xaver haben ihrem Corona-Ärger in Krapfen-Form Luft gemacht. Sie nennen ihre Kreation den Frustfinger – eine Faust mit gestrecktem Mittelfinger. Gefüllt ist er mit süßer Marmelade, doch die Botschaft dahinter ist bitter: Beide erwarten 50 Prozent Umsatzeinbußen. „Der zweite Lockdown zerstört unser Geschäft“, sagen sie. Ihr Frustfinger kommt an in Berchtesgaden: Er ist regelmäßig ausverkauft.
Der Frust ist in allen Branchen groß. Stefan Schlagbauer betreibt mehrere Schuhläden in der Region. Nach dem ersten Lockdown ging es aufwärts, die Umsätze stimmten. Heute fällt ihm das Lächeln schwer. „Der große Aufschrei wird erst dann kommen, wenn die Geschäfte schließen.“ Dennoch: Die Berchtesgadener versuchen, das Beste aus allem zu machen. „In der Vorweihnachtszeit wollen wir es der Bevölkerung schön machen“, sagt Schlagbauer. Weihnachtliche Deko, Lichterketten an den Häusern. Vielleicht sogar ein paar Hütten mit Essensverkauf. „Die Gäste werden wiederkommen“, ist er sicher. „Die Frage ist nur wann.“