Die Sonne vergoldete den Sonntagmorgen, doch der ewige Pessimist schaute, nachdem er mit Sorgenfalten auf der Stirn dem Wetterbericht gelauscht hatte, düsteren Blicks aus dem Fenster und verkündete: „In Nürnberg rengts – und in Regensburg teans d’Wasch scho rei!“
Diese Worte bedeuteten, dass der geplante Familienausflug an den Starnberger See ersatzlos gestrichen war. Das angekündigte Tief ist aber dann, vom Föhn gehemmt, so langsam nach Süden gewandert, dass es an jenem Sonntag in München erst am späten Abend zu regnen begonnen hat, als der Tag längst mit eitel Sonnenschein über die Bühne gegangen war. Der Pessimist kann nichts dafür, dass er ein Pessimist geworden ist, dass ihm Optimismus zeitlebens fremd bleibt. Schon als ihn seine Mutter zum ersten Mal in frische Windeln packte, schwante ihm, dass es für die Katz sei. Und nach einer Stunde hat er ja auch tatsächlich recht behalten. Deshalb liegt dem ewigen Pessimisten auch mit Vorliebe jenes Wort auf der Zunge, das mit „Sch“ beginnt.
Nicht nur sich selber verdüstert der Pessimist den Himmel und die Zukunft, auch andere schreckt er mit seinen Prophezeiungen. Ob nun einer seinen Zaun streicht, ein Bäumchen pflanzt oder das Auto entrostet, der Pessimist verhält seinen Schritt, schüttelt den Kopf und sagt: „Des werd nia wos!“ Der Weg des Pessimisten ist mit tausend „Wenn und Aber“ gepflastert. Fährt er mit dem Zug, befürchtet er lange Verspätungen, besteigt er sein Fahrrad, sieht er Glasscherben und Reißnägel auf der Fahrbahn voraus. Das Wichtigste beim Auto ist für ihn der Wagenheber.
Wenn ein Pessimist ins Wirtshaus geht, weiss er schon vorher, dass er ein Haar in der Suppe finden wird. Findet er es trotz eifrigen Suchens nicht, dann ärgert er sich gleich noch mehr, weil er nicht Recht behalten hat. Weil der Pessimist immer mit dem Schlimmsten rechnet, zieht er das Malheur wie ein Magnet an. Sein Hotelzimmer liegt entweder über der Diskothek oder direkt neben den Wasserspielen der Toilette, betritt er einen Biergarten, gehen die Brathendln aus, und hat er die Absicht, in die Berge zu fahren, so liest man am nächsten Tag in der Zeitung von niedergegangenen Muren. Wen wundert’s, dass es das Merkmal eines Pessimisten ist, zum Gürtel auch noch Hosenträger zu tragen?
Hat ein Optimist einen Katarrh, so schnäuzt er kräftig durch und hofft, in drei Tagen das Gröbste überstanden zu haben. Der Pessimist dagegen verschwindet inhalierend unter dicken Handtüchern und erwartet eine langwierige Nasenschleimhautentzündung. Ständig ist er auf der Hut vor Bazis und BazilIen. Doch auch der Pessimist hat seinen Platz im Leben, erfüllt eine wichtige Aufgabe: indem er die Euphorie des Optimisten dämpft, bewahrt er ihn möglicherweise vor Ungemach. Wie viele Optimisten wären schon ins Wasser gesprungen, wenn sie die Pessimisten nicht vor Klippen und Strudeln gewarnt hätten!
Ein Kind, das zwei ewige Pessimisten als Eltern hat, hat’s schwer, ein Kind, dessen Mutter und Vater unentwegte Optimisten sind, gleichfalls. Liegt also in der Mitte, im Ausgleich, wieder einmal das Optimale, ist das Kind, dessen Vater (Mutter) optimistisch in die Zukunft blickt, während die Mutter (der Vater) allzu hochgeschraubte Erwartungen mit vorsichtigem Pessimismus dämpft, am besten dran? Zu dieser These könnte vielleicht sogar ein ewiger Pessimist „Ja“ sagen, oder?
An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber