München – Maskenpflicht und andere Corona-Maßnahmen können massive psychologische Folgen haben – vor allem für Kinder und Jugendliche, warnt Professor Christof Kuhbandner. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg und fordert eine Kehrtwende der Politik.
Welche psychologischen Folgen haben die Corona-Maßnahmen?
In einer Situation wie dieser ist vor allem Angst ein grundlegendes Thema. Angst hat eine psychologische Wirkung, die man auf verschiedensten Ebenen beobachten kann.
Welche Schäden kann das bei Kindern hervorrufen?
Vor allem durch die Maskenpflicht wird die nonverbale Kommunikation eingeschränkt – die aber gerade für Kinder den wichtigsten Kanal zur Entstehung einer sozialen Beziehung darstellt. Außerdem ist der Verzicht von Körperkontakt für Kinder besonders schlimm. Problematisch sind auch – insbesondere für kleinere Kinder – Verbote, etwa sich im Gesicht nicht zu berühren. Entwicklungspsychologisch gesehen sind kleinere Kinder praktisch nicht in der Lage, solche Verbote umzusetzen.
Haben Sie den Eindruck, dass die Perspektive der Kinder zu wenig berücksichtigt wird?
Das ist meines Erachtens ein ganz großes Versäumnis! Die Maßnahmen wurden ausschließlich aus einer virologische Perspektive getroffen. Als Hauptproblem sehe ich die Maskenpflicht in Schulen. Im schlimmsten Fall müssen bereits sechsjährige Kinder von 7 bis 14 Uhr durchgehend Maske tragen – zuerst im Schulbus, dann im Unterricht. Bis heute gibt es keine Studie, die untersucht hätte, was das mit Kindern macht.
Welche Studien gibt es?
Zum Beispiel Untersuchungen, welche Emotion sich in welchem Bereich des Gesichts ausdrückt. Lachen und Fröhlichkeit drückt sich vor allem um den Mund herum aus. In den Augen lesen wir vor allem Angst und Trauer. Letztlich ist mit dem Tragen der Maske also eine Nebenwirkung für unser emotionales System verbunden: Wir lesen nun eher Angst und Trauer – Freude kriegen wir nicht mehr mit. Außerdem muss man als Psychologe sagen, dass man es einem Kind oft gar nicht ansieht, wenn es leidet. Es sind vielleicht jetzt noch keine sichtbaren Nebenwirkungen da – aber auf längere Zeit kann man sie nicht ausschließen.
Die Maßnahmen werden nicht von Dauer sein. Ist es jetzt schon kritisch?
Das ist von Kind zu Kind ganz verschieden. Wenn man ein Kind betrachtet, das sensibel ist oder sich gerade in einer sensiblen Entwicklungsphase befindet und dann vielleicht auch noch aus schwierigen Verhältnissen kommt, reicht schon eine Kleinigkeit, um alles aus dem Lot zu bringen. Ein anderes Kind, das das Gleiche erlebt, aber als stabil gilt, verkraftet das besser.
Sollten die aktuell geltenden Maßnahmen gelockert werden?
Als Wissenschaftler würde ich sagen, das das eine Frage der Evidenz ist. Wir müssen zuerst den Nutzen prüfen, also hinterfragen, wie gut jede einzelne Maßnahme hilft, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Zudem müssen wir uns bei der Bewertung der Maßnahmen die Frage stellen, wie gewichtig die Nebenwirkungen sind. Das muss dann ins Verhältnis gesetzt werden.
Was können Eltern tun?
Man sollte versuchen, dem Kind Sicherheit zu geben. Eventuell ist es empfehlenswert, auch einige Themen von Kindern fernzuhalten. Man muss – trotz des empfohlenen Abstandes – Nähe zum Kind herstellen. Auch als Lehrer oder Erzieher!
Was erhoffen Sie sich jetzt von der Politik?
Für mich als pädagogischer Psychologe ist es ganz klar, dass man ohne Maskenpflicht und Abstand in der Schule unterrichten sollte. Die langfristigen Nebenwirkungen überwiegen meines Erachtens den Nutzen fundamental. Wenn jetzt aber neue Studien zeigen, dass das Infektionsgeschehen an Schulen anders aussieht, muss man neu nachdenken.
Interview: Anna Tratter