Brandbrief für mehr soziale Gerechtigkeit

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

München – „Die Gräben werden tiefer“ – das beklagt das Soziale Netz Bayern, zu dem sich 16 Kirchen-, Wohlfahrts-, Sozial- und Familienverbände zusammengeschlossen haben. Mit einer gemeinsamen Erklärung fordern sie die Politik zum Handeln auf. „Bereits heute ist sichtbar, dass die Corona-Pandemie die soziale Ungleichheit weiter vergrößert“, sagte Verena Di Pasquale, stellvertretende Vorsitzende des deutschen Gewerkschaftsbunds Bayern. Kurzarbeit und Verdienstausfälle, Arbeitslosigkeit und der Wegfall von Betreuungen für Kinder und Pflegebedürftige seien eine enorme Belastung.

„Unsicherheiten, Abstiegs- und Zukunftsängste dürfen keinen Nährboden für Rechtspopulisten und Verschwörungsfanatiker bilden“, machte sie deutlich. Doch dazu brauche es mehr Unterstützung für die Schwachen. Das Netzwerk fordert unter anderem einen höheren Mindestlohn und bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in systemrelevanten Berufen wie zum Beispiel für Pfleger, Erzieher, Reinigungskräfte oder Verkäufer.

„Die Krise zeigt gnadenlos, wo es knirscht in unserem Land“, machte auch die VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher deutlich. Rentner, die ihre Nebenjobs verloren haben, könnten ihre kleine Rente nicht mehr aufbessern, wer auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen ist, habe Schwierigkeiten, Essen zu kaufen, und Geringverdiener in Kurzarbeit müssten mit Sozialhilfe aufstocken. 14,7 Prozent der Bayern seien armutsgefährdet, bei den über 65-Jährigen seien es sogar 22 Prozent, berichtete sie. „Die Rentenhöhe ist ein gnadenloses Spiegelbild des Erwerbslebens.“ Deshalb sprach sie sich gegen eine Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze von 450 auf 600 Euro aus. „Mini-Jobber sind die ersten, die in der Krise vor die Tür gesetzt werden“, erklärte sie. „Aus Mini-Jobs werden Mini-Renten.“ Bei einer Ausweitung der Mini-Jobs würden in Deutschland eine halbe Million Menschen aus der Sozialversicherung fallen. Nötig sei aber bei Mini-Jobs eine Sozialversicherungspflicht „vom ersten Euro an“.

Ein weiterer Wunsch des Sozialen Netzes Bayern ist eine Kindergrundsicherung sowie eine Anhebung der Hartz IV-Regelsätze um 100 Euro während der Corona-Krise, um höhere Kosten zum Beispiel für Masken, Medikamente oder Lebensmittel auszugleichen. Dass es nur eine Erhöhung um 14 Euro geben soll, sei „sehr enttäuschend“.

Laut Landes-Caritasdirektor Prälat Bernhard Piendl brauche es auch digitale Endgeräte für bedürftige Kinder: „Wer gut ausgestattet ist, kommt bei Schulschließungen leichter zurecht.“ Er berichtete zudem von einer starken Zunahme von Anfragen bei der Schuldnerberatung. „Das Angebot muss ausgeweitet werden und wir brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung“, sagte er. Bei den sozialen Diensten dürfe nicht gespart werden.

Besonders schwer hätten es gerade auch Kranke und Pflegebedürftige, so die Verbände. Sie seien häufig isoliert und nicht immer sei ihre Versorgung gesichert. Pflegekräfte wiederum hätten schon vor der Pandemie am Anschlag gearbeitet. „Pflege ist keine Ware“, sagte Mascher. „Hier darf die Profitlogik des Marktes nicht gelten.“ Derzeit sei Pflegebedürftigkeit aber „ein unkalkulierbares Risiko“ und die Absicherung mit der Pflegeversicherung nicht gegeben. Außerdem würden Kurzzeit- und Tagespflegedienste fehlen: „Beim pflegenden Angehörigen steht die Ampel nicht mehr auf Rot, sondern längst auf Dunkelrot“, erklärte sie.

Zur Finanzierung der Maßnahmen schlägt das Soziale Netz Bayern vor, wirtschaftlich besonders starke Unternehmen oder sehr vermögende Personen stärker an den Kosten zu beteiligen.

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