von Redaktion

Sie arbeitete über 60 Jahre als Schriftstellerin und erschuf unzählige Figuren – aber mit einem 30 Zentimeter kleinen, rothaarigen Kobold gelang ihr der große Durchbruch: Autorin Ellis Kaut wäre am 17. November 100 Jahre alt geworden. Tochter Ursula Bagnall, 75, wohnt in München und erzählt von ihrer außergewöhnlichen Mutter.

Mit welchen drei Attributen würden Sie Ihre Mutter beschreiben?

Neugierig, (überlegt kurz) humorvoll und – mit starkem Durchsetzungswillen. Wenn sie ewas angefangen hat, dann hat sie das auch gründlich gemacht. Sie wollte schließlich schon immer berühmt werden.

Warum?

Ihre Mutter hat zu ihr einst gesagt: „Aus dir wird ja ein Lebtag nix.“ Meine Mutter reagierte mit: „Dir werd ich’s zeigen.“ Zuallererst wollte sie Heilige werden, später weltbeste Pianistin …

… und schließlich ist ihr Wunsch als Autorin in Erfüllung gegangen.

Genau. Aber geschrieben hat sie eigentlich nie gerne. Ursprünglich verfasste mein Vater (Kurt Preis, einst Redakteur bei unserer Zeitung, Anm. d. Red.) Kurzgeschichten für den Bayerischen Rundfunk. Als er einmal keine Zeit hatte, übernahm meine Mutter für ihn das Schreiben. Da ihre Geschichten genauso ankamen, wurde das ihre Aufgabe.

Ellis Kaut war ein vielseitiger Mensch: Sie absolvierte ein Schauspielstudium, arbeitete als Bildhauerin und Porträtistin. Warum blieb sie Schriftstellerin?

Ich glaube, es ist nie so das Schreiben selber gewesen, sondern der Termindruck, den sie nicht mochte. Das berühmte weiße Blatt, wenn man nicht weiß, wie es losgehen soll. Wenn sie dann aber im Fluss war, war es okay. Aber Mutter hat sich so lange wie möglich davor gedrückt.

Wie kam ihre Mutter überhaupt auf den Kobold?

Mutti hat immer sehr viel verlegt. Einmal fand sie die Zigaretten nicht, dann fehlte das Feuerzeug oder der Stift … Da kam ihr die Idee: Dieses gedankenlose Beiseitelegen war sie nicht selbst, sondern ein Kobold.

Und wie entstand der Name Pumuckl?

Während eines Winterspaziergangs machte sich meine Mutter einen Spaß daraus, an schneebedeckten Ästen zu ziehen – der ganze Schnee fiel dann auf meinen Vater. Er rief daraufhin: „Du bist ein rechter Pumuckl“. Ein Name, der ihm spontan einfiel. Daran erinnerte sich Mutti, als sie einen Namen für den Kobold suchte. Wir waren sowieso eine Familie mit vielen Wortspielereien. (Lacht.)

Ich bin ganz Ohr….

Einmal war ich mit Mutti in Venedig. Im Dunkeln liefen wir an einem erleuchteten Palazzo vorbei. Plötzlich fing eine von uns an: „Schau mal, wen küsst er, der Lüster.“ So ging das ewig weiter. Wir haben Wörter verdreht, neue erfunden – an solchen Sachen hatten wir riesigen Spaß.

Wie sagt der Pumuckl so schön: „Ui, das reimt sich ja – und was sich reimt, ist gut!“.

Richtig. Diese Leidenschaft hat Mutter auf den Pumuckl übertragen. Deshalb dichtet er immer. Auch den Schreinermeister Eder gab es ja tatsächlich.

Ach was …

Der Schreiner Nadler aus München schreinerte Mutters Mobiliar fürs Arbeitszimmer. Er inspirierte sie zum Meister Eder. Meine Mutter wollte nämlich von Anfang an, dass Pumuckl bei einem Handwerker spielt.

Ellis Kaut hat ja noch andere Figuren geschaffen – etwa den Kater Musch oder Schlupp vom grünen Stern. Trotzdem gelang ihr mit Pumuckl der große Durchbruch. Was ist eigentlich das Erfolgs- geheimnis?

Die Beziehung zwischen Meister Eder und dem Pumuckl: Der Kobold macht alles, was Kinder gerne tun. Gleichzeitig hat er aber jemanden, auf den er sich immer verlassen kann. Die Verbindung der beiden hat deshalb eine Art Vorbildfunktion. Ich glaube, das ist das eigentliche Geheimnis.

Hat Ihre Mutter eigentlich bedauert, dass ihre anderen Figuren nicht die gleiche Berühmtheit erlangt haben wie der Pumuckl?

Bedauert ist vielleicht das falsche Wort. Sie war so vielseitig und hätte schon gerne gehabt, dass ihre anderen Arbeiten auch anerkannt werden. Aber alle wollten immer nur den Pumuckl von ihr.

Also war der Pumuckl Fluch und Segen zugleich?

Einen Fluch würde ich es nicht nennen – aber es war definitiv nicht durchgehend ein Segen.

Wie viel Pumuckl steckte in Ellis Kaut selbst?

Ich glaube viel. Schon als Kind war sie sehr kritisch, hat alles immer hinterfragt – genau wie der Pumuckl. Und sie wollte sich immer durchsetzen. (Lacht.)

Was hätte der Kobold Ihrer Mutter zum 100. Geburtstag gewünscht?

Wahrscheinlich hätte er sich von ihr gewünscht, dass sie noch weiterschreibt, weil er ja gerne im Mittelpunkt steht. Den Wunsch hätte sie ihm aber nicht erfüllt (lacht).

Das Gespräch führte Franziska Konrad

Mehr über Ellis Kaut

gibt es in ihrer Biografie „Nur ich sag ich zu mir: Mein Leben mit und ohne Pumuckl“. Verlag Langen-Müller, 224 Seiten, 9,99 Euro.

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