Moorenweis – Ferdinand Wenig steht in einem dunklen Nebenraum einer Garage, hinter ihm türmen sich die Kisten mit der Ausbeute des Sommers. Kisten voll mit Süßkartoffeln, die dicksten Exemplare über ein Kilogramm schwer. Der 26-jährige Landwirt aus Moorenweis im Kreis Fürstenfeldbruck hat heuer gemeinsam mit seiner Freundin Regina Wörle (23) ein Experiment gewagt und die tropische Exotin auf dem heimischen Acker angebaut. Das Ergebnis halten die beiden nun in den Händen: echte bayerische Süßkartoffeln. Doch hinter diesem regionalen Schmankerl steckt eine Menge Arbeit.
Die Idee kam den beiden, als sie vergangenes Silvester mit Freunden nach Sri Lanka gereist waren. Dort gehört das Windengewächs, das mit unserer heimischen Kartoffel übrigens nicht verwandt ist, zu den Grundnahrungsmitteln. „Das hat uns fasziniert und wir haben relativ spontan gesagt: Das probieren wir jetzt auch mal aus“, sagt Ferdinand Wenig.
Aber wie geht man das an? Schließlich wird die Süßkartoffel auf bayerischen Feldern bislang noch kaum gepflanzt. Laut Zahlen des bayerischen Landwirtschaftsministeriums wurden im Jahr 2020 nur auf einer Fläche von 13 Hektar Süßkartoffeln angebaut. Der Großteil der in Deutschland verzehrten Knollen wird importiert, etwa aus Ägypten, Spanien oder Portugal. Obwohl das süßliche Trend-Gemüse mittlerweile als Pommes oder Püree in immer mehr Restaurants auf der Karte steht und auch ein wichtiger Bestandteil von Babynahrung ist, gibt es keine zentralisierte Vermarktungsstruktur in Bayern dafür. „Die Nachfrage wäre da“, sagt Birgit Rascher von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG), wo der Anbau der Süßkartoffel schon erprobt wurde. Aber die Exporteure aus dem Ausland bieten ihre Ware mittlerweile zu so günstigen Preisen an, dass sich ein großflächiger Anbau in Bayern derzeit nicht lohnt. „So bleibt die bayerische Süßkartoffel ein Produkt für die Genießerecke“, sagt Rascher.
Auch Ferdinand Wenig und Regina Wörle mussten den Anbau erst lernen. Im Frühjahr besorgten sie sich vorgezogene Stecklinge, die sie Anfang Juni auf einem 900-Quadratmeter-Acker anbauten. Dann hieß es warten. „Die Kälte hat uns schon Sorgen gemacht“, sagt Wenig. Im zaghaften bayerischen Frühling ließ sich die Süßkartoffel lange bitten. Eine ganze Weile regte sich kaum etwas auf den mit Mulchfolie abgedeckten Dämmen. Doch schließlich kamen die Pflänzchen doch noch in die Gänge. Durchatmen bei den Jungbauern. Im Oktober war es so weit: Die Ernte konnte beginnen. „Wir haben Freunde und Bekannte zusammengetrommelt“, sagt Wenig. Denn da war viel Handarbeit nötig. Mit einem Siebkettenroder wurden die Dämme abgefahren, dann fleißig eingesammelt – einen ganzen Tag lang.
Im Garagen-Nebenraum folgte die Nachbehandlung. Bei 30 Grad, 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und Dunkelheit lagern die Süßkartoffeln etwa zwei Wochen. So werden sie haltbar, die Schale härtet nach und die Stärke in der Kartoffel wird zu Zucker umgewandelt. „Erst dann hat sie ihren charakteristischen Geschmack“, sagt Hauswirtschaftsschülerin Regina Wörle. „Direkt nach der Ernte schmeckt sie eher wie eine Karotte.“
Einem ganz besonderen Süßkartoffelliebhaber hat es aber auch ohne Nachreifung schon gut geschmeckt. Denn zahlreiche Knollen wurden auf dem Acker von Mäusen angefressen – ein Problem, das auch schon bei den Anbauversuchen an der Landesanstalt auftrat. „Das hat uns einen gehörigen Teil der Ernte gekostet“, sagt Ferdinand Wenig etwas zerknirscht. Noch immer fischt er regelmäßig angeknabberte Knollen aus den Kisten. „Wie viel Ertrag uns am Ende übrig bleibt, wissen wir selber noch nicht genau.“ So ist das bei einem Experiment, es läuft nicht immer alles nach Plan.
Jetzt sind die Fürstenfeldbrucker Süßkartoffeln aber verkaufsbereit – und Ferdinand Wenig und Regina Wörle auf Kundensuche. In Moorenweis und Puch haben sie schon kleine Selbstbedienungshäuschen aus Holz gezimmert, in denen ihre Knollen im Ein-Kilo-Netz ausliegen. Für sechs Euro – deutlich teurer als die Importware, aber ohne chemischen Pflanzenschutz, aus der Region und mit viel Schweiß geerntet. Dazu klappern die beiden Hofläden in der Gegend ab. Auch bei ersten Restaurants haben sie ihre Kartoffeln schon in die Küche gebracht. „Bislang kommen sie super an“, sagt Regina Wörle, die selbst fleißig am Ausprobieren ist, was sich aus dem süßen Exoten alles zaubern lässt. Ihr Fazit: „Die Süßkartoffel kann viel mehr als nur Pommes.“
Beste Vorzeichen für eine Fortsetzung des Knollen-Experiments, trotz der frechen Feldmaus. „Ein Jahr ist kein Jahr“, sagt Ferdinand Wenig. Er will weiter tüfteln. „Vielleicht wird es ja ein richtiger Betriebszweig für uns.“ Der Trend auf den Speisekarten spricht für die beiden.
Die Verkaufsstände
stehen in der Kaiser-Ludwig-Straße 1 in Puch und in der Türkenfelder Straße in Moorenweis.