München/Freising – Johannes Kögel war am vergangenen Sonntag vom Pech verfolgt. Der 28-jährige Student der Bioprozesstechnik an der TU Freising-Weihenstephan kam gegen 22 Uhr mit dem Zug aus seiner Heimatstadt in Illertissen. Kaum ausgestiegen, rannte er mit schwerem Gepäck zum Busbahnhof, um den letzten Bus zu seiner Wohnung zu erwischen. Vergebens – der Bus war weg. Außer Atem setzte er seine FFP2-Maske kurz ab, um durchzuschnaufen. Ein Fehler, wie er gleich darauf merkte. „Erstaunt beobachtete ich ein Polizeifahrzeug vorfahren und mich umkreisen“, schilderte er in einem Leserbrief. Zwei Polizisten stiegen aus – und konfrontierten ihn mit der Maskenpflicht. 55 Euro soll der Student jetzt zahlen. „Dabei stand ich mutterseelenallein am Busbahnhof.“
Solche Fälle häufen sich, weil immer mehr Städte ihre Innenbereiche zur Maskenzone deklarieren – zumeist auf Geheiß der Landratsämter. In Fürstenfeldbruck gilt die Tragepflicht ab dem heutigen Samstag für Teile der Innenstadt sowie ein Geschäftsviertel im Westen der Stadt. Die Dachauer Altstadt ist schon seit zwei Wochen Maskenzone, ebenso die Freisinger Innenstadt inklusive Bahnhofsbereich. Im Landkreis Starnberg ist die Maske rund um das Kloster Andechs obligatorisch, im Landkreis München gilt in Gemeinden wie Aschheim, Ismaning oder Haar „auf stark frequentierten Plätzen“ Maskenpflicht.
In den meisten Fällen stellen die Städte Schilder auf, um die Bürger darauf hinzuweisen. Verpflichtet dazu sind sie jedoch nicht, wie der Freisinger Polizeiinspektionsleiter Ernst Neuner sagt. „Es genügt die Verkündung der Maskenpflicht im Amtsblatt, die Schilder sind nur ein Add-on“ – eine freiwillige Leistung der Städte also.
Bei der Einhaltung der Maskenpflicht nehmen es manche Bürger nicht so genau. „Die Ausreden sind unglaublich vielfältig“, sagt Polizeichef Neuner. „Wir ahnden wirklich viele Verstöße“, geschätzt 50 bis 80 Verwarnungen und Bußgelder pro Woche werden verhängt. Es gebe „die Weisung, die Verstöße stringent zu verfolgen“. Am Dienstag setzten gleich mehrere Streifenwagen einer großen Gruppe von Gymnasiasten nach, die an einem Skaterplatz feierten. 21 wurden erwischt, ein Bußgeld wurde fällig. Auch in der Rosenheimer Fußgängerzone kontrolliert die Polizei scharf. Am Dienstag wurden 63 Verstöße geahndet. Polizisten berichten über „uneinsichtiges, teilweise sogar aggressives Verhalten“ von Passanten. Manche reden sich mit einem Attest heraus. Das überprüft die Polizei genau. Auch Raucher mit Maske unterm Kinn haben keine Chance. Außerdem häufen sich in der Stadt Rosenheim Fälle von Vandalismus – zahlreiche Schilder, die auf die Maskenpflicht hinweisen, wurden beschädigt oder sogar gestohlen.
Die Strafen für Maskenmuffel sind gestaffelt. Kleine Verstöße enden in Freising mit einer Verwarnung (55 Euro), die die Polizei ausstellt. Wer das Maskentragen komplett ignoriert, der erhält eine Anzeige und einen Bußgeldbescheid des Landratsamtes oder (bei kreisfreien Städten) des Ordnungsamtes – in der Regel 250 Euro bei Erwachsenen, 150 Euro bei Jugendlichen.
Der Freisinger Student Johannes Kögel ärgert sich über die Strafe. 55 Euro sind ein Zehntel seines Monatsbudgets. Er hat aber Glück: Seine Eltern übernehmen das Verwarnungsgeld. Hätten sie das nicht getan, wäre noch jemand eingesprungen: Eine Leserin unserer Zeitung rief an und wollte ihm den Betrag spenden.