München – Bayern hat noch immer mehr als eine halbe Million Grippe-Impfdosen in Reserve. Die rund 550 000 Dosen sollen in Kürze verteilt werden, unterstrich das bayerische Gesundheitsministerium am Samstag. „Bayern hat erstmals in seiner Geschichte zusätzlichen Grippeimpfstoff beschafft – auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie“, erläuterte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Im Oktober hatten Patienten vielerorts auf die Grippe-Impfung warten müssen, da Praxen und Apotheken angesichts der hohen Nachfrage keinen Impfstoff mehr hatten. Die Opposition kritisierte deshalb dass die Reserven nicht früher ausgegeben worden seien.
Huml wies die Kritik an den Vorkehrungen als „sachlich nicht nachvollziehbar“ zurück. Von „Geheimniskrämerei“ könne keine Rede sein. Das Ministerium habe Anfang Oktober auf den Kauf der zusätzlichen Impfdosen hingewiesen.
„Diese Impfdosen sind die Reserve für den Fall, dass der Grippe-Impfstoff knapp wird. Deshalb ist auch die Kritik, die Impfdosen seien „zurückgehalten“ worden, völlig unangebracht“, sagte Huml. Vor der Verteilung seien wichtige Fragen zu klären, was derzeit geschehe, erläuterte das Ministerium. Wegen der Corona-Pandemie ist das Interesse an der Impfung höher als sonst. Auch die Gesundheitsministerien hatten für die Impfung geworben.
Noch ist Bayern von einer Grippe-Welle weit entfernt. Seit Anfang Oktober registrierte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) 15 Influenza-Fälle. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 186. Allerdings erreichen die Influenzainfektionen stets erst im Februar oder März bis in den April hinein ihre Spitze.
Huml sagte, seit dem 11. November laufe über die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) eine Abfrage bei den Ärzten, wie viele Grippe-Impfstoff-Dosen sie noch für ihre Patienten benötigten. „Damit können diese Impfstoff-Dosen rechtzeitig vor dem Höhepunkt der Grippewelle verimpft werden.“
Der KVB-Vorstandschef Wolfgang Krombholz sagte: „Wir begrüßen es sehr, dass die sogenannte „Bayern-Reserve“ an Grippeimpfstoff jetzt den Praxen zur Verfügung gestellt werden soll.“ Die „Augsburger Allgemeine“ zitierte Krombholz allerdings weiter, er habe die Freigabe der Reserve bereits Ende Oktober gefordert.
Deutlich schärfere Kritik kam zudem von der Opposition im Landtag. „Es gab keinen vernünftigen Grund, die Reserve zurückzuhalten, denn es wäre ja viel sinnvoller gewesen, die Menschen frühzeitig zu impfen“, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann. „Nun sind auch noch die Arztpraxen überlastet“. Der FDP-Abgeordnete Dominik Spitzer, selbst Arzt, sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Das ist schon ein Hammer. Wir mussten unsere Patienten drei Wochen lang vertrösten.“ Das Ministerium verwies hingegen auf das als Bundesbehörde für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut, das auf seiner Webseite keinen Lieferengpass bei Grippe-Impfstoffen angebe. SABINE DOBEL