Grippe-Impfstoff

Seltsames Timing

von Redaktion

SEBASTIAN HORSCH

Während Ärzte und Apotheken über Wochen Patienten vertrösten mussten, hielt die Staatsregierung eine Reserve von mehr als einer halben Million Dosen Grippe-Impfstoff in der Hinterhand. Ein Timing, das verwundert.

Hätte man den Impfstoff früher freigegeben, wäre er keine Reserve mehr gewesen, argumentiert Gesundheitsministerin Melanie Huml. Das kann man so sehen. Die Frage ist allerdings, für welchen Fall man dann überhaupt eine solche Reserve anlegt. Schließlich häuften sich bereits vor Wochen die Berichte über Engpässe. Wenn es organisatorisch so schnell nicht möglich war, die Impfungen an den Mann zu bringen, hätte man das den Apotheken, Ärzten und Patienten zumindest besser erklären müssen. Doch dass die 550 000 zusätzlichen Impfdosen, die der Freistaat gekauft hat, vorerst nicht für Patienten zur Verfügung stehen, wussten selbst Mitglieder des Gesundheitsausschusses im Landtag gar nicht. So bleibt die Frage im Raum, warum die Staatsregierung erst medienwirksam zum Grippeschutz aufruft, dann aber Impfwillige wochenlang vertröstet werden müssen, obwohl Bayern auf einem Vorrat sitzt.

Der Freistaat hat zusätzlichen Impfstoff und kann ihn nun noch vor dem Höhepunkt der Grippezeit einsetzen – das sei entscheidend, sagt Huml jetzt. Doch zur Wahrheit gehört eben auch, dass ihr Ministerium eine Knappheit entstehen ließ, die es zumindest in diesem Ausmaß hätte verhindern können. Es hat damit im schlechtesten Fall dafür gesorgt, dass sich im Corona-Jahr weniger Bayern gegen die Grippe schützen lassen, als es möglich gewesen wäre. Denn wer beim Arzt immer wieder abgewiesen wird, der hört irgendwann auf nachzufragen.

Sebastian.Horsch@ovb.net

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