München – „Fehlbesetzung“, „Versetzung stark gefährdet“, „setzt eindeutig falsche Akzente“ – der CSU-Landtagsabgeordnete Franz Josef Pschierer rechnet auf Facebook mit Kultusminister Michael Piazolo (FW) ab. Dieser sei „für mich inzwischen eine klare Fehlbesetzung“, schreibt der schwäbische Abgeordnete, der bis 2018 selbst Wirtschaftsminister war. Denn: „Wir sind in Bayern – und dies zeigt die Corona-Krise mehr als deutlich – meilenweit von einem ,digitalen Klassenzimmer‘ entfernt.“ Statt sich um Digitalisierung und den Schutz von Schülern und Lehrern mit Raumlüftern oder FFP2-Masken zu kümmern, schlage Piazolo eine Bonuszahlung für Schulleiter vor. „Früher hieß das: Note ungenügend und Versetzung stark gefährdet!“
Die Freien Wähler kontern ebenfalls auf Facebook: „Bitteres Eigentor, Kollege Pschierer, ganz bitter: Freche Sprache + Anstandslosigkeit gepaart mit Ahnungslosigkeit.“ Das sei wohl auch der Grund, warum Pschierer keinen Platz mehr im Kabinett habe.
Tatsächlich ist der Schwabe Pschierer von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Landtagswahl 2018 ausgebootet worden. Bei der Neuaufstellung des Kabinetts wurde der Kurzzeit-Wirtschaftsminister (März bis November 2018) nicht mehr berücksichtigt.
Auch Florian Streibl, der Chef der Freien-Wähler-Fraktion im Landtag, sagt: „Da lädt ein Ex-Minister seinen Frust über sein verlorenes Ministeramt ab.“ Dass Pschierer mit seiner Kritik für die gesamte CSU-Fraktion spricht, glaubt Streibl nicht. Er hofft, das war ein „einzelner Ausreißer“. Wäre es anders, wäre das „für das Gelingen einer Koalition nicht förderlich“.
Tastächlich will man auch in der CSU-Fraktion Pschierers heftige Worte nicht überbewerten. Die Digitalisierung müsse man „vehement vorantreiben“, erklärt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer auf Anfrage – und schiebt nach: „Mit persönlichen Schuldzuweisungen zu arbeiten, halte ich hier für nicht gerechtfertigt.“
Dennoch spricht da wohl nicht einfach ein Frustrierter, eher ist es so, dass es im Verhältnis zwischen CSU und Freien Wählern unter der Oberfläche brodelt – und der Konflikt an verschiedenen Stellen immer wieder ausbricht. So gibt es einen Disput über die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken auf dem Land – CSU dagegen, FW dafür – und über eine neue Grundsteuer C auf unbebaute, aber baureife Grundstücke (CSU dafür, FW dagegen). CSU-Abgeordnete an der Basis sind frustriert über FW-Kollegen, „die in München Regierung sind und draußen auf dem Land Opposition“, wie Pschierer auf Nachfrage sagt. Neben der fehlenden Digitalisierung ärgern ihn auch die versprochenen 500-Euro-Bonuszahlungen für Schulleiter. Das ist zwar eine Erfindung von Ministerpräsident Markus Söder, aber der Kultusminister hat sich nicht gewehrt. Ein Schulleiter sei Gutverdiener der Gehaltsstufe A 16 – „was soll ich denn einer Kindergartenleiterin sagen“, fragt Pschierer. „Das macht mich fassungslos.“
Die Freien Wähler ärgern sich über die Kritik an ihrem Minister. „In Corona-Zeiten läuft es in fast keinem Ministerium rund“, sagt Streibl. In dieser Lage sei klar, dass es auch zwischen Koalitionspartnern „ein bisschen mehr ruckelt“. Auch in seiner Fraktion gebe es den ein oder anderen, der vielleicht mal etwas zu einem CSU-geführten Ressort zu sagen hätte. Doch die Freien Wähler hätten sich zum Beispiel mit Kritik am Gesundheitsministerium von Melanie Huml (CSU) „sehr zurückgehalten“.
Zumindest was die Corona-Politik angeht, gilt das aber nur bedingt. Denn schon am Wochenende hatte es in der CSU, nicht nur bei Pschierer, wegen einer weiteren Meinungsverschiedenheit gewühlt: Die Freien Wähler mahnten eine Änderung der Corona-Teststrategie an, die sie zuvor noch mitgetragen hatten. „Die bisherige Strategie der Jedermann-Tests droht zu Test-Engpässen zu führen und verursacht hohe Kosten“, sagte Generalsekretärin Susann Enders.
Der stille Kultusminister Piazolo indes macht am Dienstag das, was er meistens tut: Er schweigt.