Im Altertum war das Gastmahl ein beliebtes Mittel, sich unliebsamer Zeitgenossen zu entledigen. Mit Vorliebe geschah es bei der Nachspeise (in der heute noch vielfach der Böse steckt), dass sich plötzlich einer krümmte und wand und sich dann mit einem letzten Röcheln beim Gastgeber verabschiedete.
Dass ihnen die Bröselmeiers nach dem Leben trachteten, glaubten die Haselwanters zwar nicht, doch dass ihnen schwerer leiblicher Schaden zugefügt würde (dies freilich in bester Absicht), dessen waren sie sich gewiss, nachdem sie für Donnerstag gegen 19 Uhr zu einem zwanglosen Imbiss gebeten worden waren.
„Und was ziehen wir an?“ Ja, das war jetzt die Frage: zwanglos leger oder eher mit gesellschaftlichem Touch? Die Haselwanters wandten sich ihren getrennt stehenden Kleiderschränken zu und gewandeten sich. Als sie sich dann gegenseitig musterten, erkannten sie, dass es so nicht ginge. Max präsentierte sich mit salopper Flatterhose, einem Safarihemd und einem kanariengelben Pulli, während sich seine Gemahlin in einen dunkelblauen Schlauch mit rosaroten Auswüchsen gezwängt hatte, als gelte es, einen Staatsempfang im Antiquarium zu absolvieren. Nachdem beide Zugeständnisse, er nach oben, sie nach unten, gemacht hatten, waren sie endlich startbereit.
Meine Güte, wie haben sich die Gastgeber gefreut! Die Haselwanters wurden dann den anderen Gästen vorgestellt, wobei Max die fremden Damen sofort als sehr interessante Erscheinungen einstufte, während sich seine Frau besonders von jenem Herrn angetan fühlte, dessen starre Augen sich von ihrem langen Schlitz im Rock lange nicht trennen wollten (worüber später zu Hause noch ein längerer Disput fällig war). Einzelheiten der aufgetischten Köstlichkeiten zu nennen, würde zu weit führen. Nur so viel: Das Mahl war käferartig, zum Teil sogar witzigmännisch. Es begann mit einer Vorspeise, in der sich nach Auskunft der Hausfrau Shrimps tummelten, und es endete mit einer exquisiten Nachspeise, die sich Tiramisu nennt. Weil Max nicht aufhören konnte, „einfach köstlich“ zu rufen, klatschte ihm die Gastgeberin, diese süße Maus, einen zweiten und dann noch einen dritten Schöpflöffel voll des Schokolade-Biskuit-Mascarpone-Amaretto-Gemischs auf den Teller, indes ihm der Gastgeber zum sechsten Male sein Glas mit trockenem Frankenwein (wie ihn die englische Königsfamilie bevorzugt) füllte. Kurz und gut: Obwohl etliche Seufzer zu hören waren, von den fleißigen Löfflern machte keiner Anstalten, die Hände an die Magengrube (sofern man von so stattlichen Gewölben überhaupt von Grube sprechen kann) zu pressen und mit dem Ruf „Hilfe, ich bin vergiftet!“ zusammenzusacken. Sowohl Frau Haselwanter wie auch ihr Ehemann Max schliefen in der restlichen Nacht ausgesprochen schlecht. Der übervolle Magen übte Druck nach allen Seiten aus, weil sie wieder einmal vergessen hatten, Pfauenfedern mitzunehmen.
„Die sollen sich nur vorsehen, diese Bröselmeiers“, sagte der verkaterte Max am nächsten Tag zur seiner sodbrennengeplagten Frau, die lamentierend auf der Badezimmer-Waage stand: „Bei der fälligen Gegeneinladung gibt es sechs Gänge und am Schluss servierst du deine berüchtigte Mousse au Chocolat, die bisher noch jedem, der dem zweiten Teller nicht widerstehen konnte, eine dreitägige Verstopfung bescherte!“
An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber