München – Die Lockerung des sogenannten Anbindegebots war in der Zeit vor Corona ein großes Thema der Landespolitik. Als damaliger Finanzminister hatte Markus Söder (CSU) im Landesentwicklungsprogramm (LEP) eine Lockerung durchgesetzt: Seit 2017 war es möglich, dass Gewerbegebiete auch abseits von Ortschaften – eben ohne Anbindung – an Autobahnausfahrten entstehen können. Dagegen gab es viel Protest, sogar aus seiner eigenen Partei – unter anderem der Wirtschaftsexperte Erwin Huber mahnte zur Zurückhaltung. Dann kam die von der Öffentlichkeit mit Staunen vernommene Grün-Werdung Söders: Nach einer langen Auseinandersetzung mit Naturschutzverbänden kippte der eben erst gewählte Ministerpräsident in einem Ruck erst die Skilifte am Riedberger Horn im Allgäu und dann auch das gelockerte Anbindegebot. Zumindest hat er das angekündigt und vom Ministerrat am 16. Juli vergangenen Jahres auch absegnen lassen. „Bayern macht die Lockerungen beim Anbindegebot wieder rückgängig“, hieß es damals im Bulletin, das die Staatsregierung nach einer Ministerratssitzung immer herausgibt.
Auch der Bund Naturschutz hat das damals begrüßt. Doch zur Überraschung der Umweltschützer gilt die Regelung bis heute unverändert, erfuhr der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe Anfang November bei einer Sitzung des Bündnisses zum Flächensparen. Die Folgen sind fatal, warnt der Bund Naturschutz: In Bayern stehen mehrere große Gewerbegebiete abseits von Ortschaften zur Genehmigung an, so in Teublitz (Kreis Schwandorf), in Argental (Kreis Lindau) sowie im Landkreis Ansbach.
Geilhufe ärgert sich: Die Streichung des Paragrafen im LEP, so wirft er der Staatsregierung vor, werde „verschleppt“. Denn das zuständige Wirtschaftsministerium hat ihm mitgeteilt, dass die Änderung erst im Zuge einer ohnehin geplanten umfassenden Neuausrichtung („Fortschreibung“) umgesetzt werden soll.
Und das dauert: Im Frühjahr 2021 soll zunächst eine Ministerrunde stattfinden, danach gibt es Anhörungen. In der Zwischenzeit gilt die alte Regelung unverändert fort. Das bestätigte gestern auf Anfrage auch das bayerische Wirtschaftsministerium. Die sogenannte Teilfortschreibung sei sehr umfangreich und werde „planmäßig voraussichtlich bis 2022 dauern“, erklärte ein Sprecher. Es sei ein umfassendes Beteiligungsverfahren und auch die Zustimmung des Bayerischen Landtags erforderlich. Immerhin sagt das Ministerium auch: „Abstimmungen auf Arbeitsebene mit allen Ministerien sind bereits erfolgt.“ Der Bund Naturschutz ist damit nicht zufrieden. BN-Landesbeauftragter Martin Geilhufe sagt: „Wir nahmen den Ministerpräsidenten beim Wort. Er muss es auch halten.“ Notfalls müsse die Änderung des LEP in diesem Punkt vorgezogen werden. DIRK WALTER