München – „Etwas ratlos“ sei er am Mittwochabend gewesen, sagt Matthias Stauch, Vorstand des Verbands Deutscher Seilbahnen (VDS) und Vorstand der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG. Der Grund: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte verkündet, sich für eine europaweite Schließung der Skigebiete einzusetzen. „Für den Großteil der Betriebe ist das existenzbedrohend“, betont Stauch. „Es hängen viele Branchen dran.“ Ein Seilbahn-Arbeitsplatz sichere fünf weitere in der Region.
Die Liftbetreiber hätten Hygienekonzepte ausgearbeitet und täten alles, um die Gesundheit zu schützen. „Umso weniger verstehen wir es, wenn ein Wintersportverbot im Raum steht.“ Im Sommer habe die Zugspitzbahn 450 000 Personen befördert. „Mir ist kein Fall bekannt, dass sich jemand angesteckt hat.“ Die Infektionen in Ischgl im Februar seien nicht auf den Wintersport, sondern auf Après-Ski-Partys zurückzuführen. Und die fänden sowieso nicht statt: „Wir wollen bei uns kein Halligalli.“
Der Wintersport an sich ist eben nicht gleichzusetzen mit Party-Tourismus und Après-Ski-Events, betonen auch die Deutschen Ski- und Snowboardverbände in einem offenen Brief. „Ein deutschlandweites oder gar europaweites Verbot des Skisports wäre definitiv nicht die Lösung“, schreiben sie. Dadurch würde sich nur die „ohnehin schwierige Situation“ für den Freizeit- und Breitensport weiter verschärfen.
Ganz abgeschrieben haben die Skigebiete das Weihnachtsgeschäft noch nicht. „Wir sind vorbereitet“, erklärt Peter Lorenz, stellvertretender VDS-Vorstand und Geschäftsführer der Brauneck- und Wallbergbahnen sowie der Alpenbahnen Spitzingsee GmbH. Wenn es kalt genug ist, würden viele Pisten trotz der Unsicherheiten beschneit – um schnell startklar zu sein. Auch Klagen seien nicht ausgeschlossen. „Man muss alle Optionen in Betracht ziehen“, sagt Lorenz.
Er schätzt, dass es trotz geschlossener Lifte viele Ausflügler in die Berge ziehen wird. „Aber dann ist es ein Problem, dass es keine Infrastruktur für sie gibt.“ Durch das Übernachtungsverbot würde der Verkehr zunehmen. Was Lorenz wichtig ist für die Saison: „Es muss eine europäische Lösung geben.“
Darauf drängen auch Angela Merkel und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) – aber nicht so, wie es sich die Liftbetreiber wünschen. Söder bekräftigte gestern erneut, dass er derzeit kaum Chancen für eine Öffnung sieht. „Natur ja, Skiwandern ja, aber der andere Bereich ist sehr unwahrscheinlich“, sagte er. Er unterstütze die Initiative von Deutschland, Frankreich und Italien zur Schließung aller Skigebiete. Man wolle „auf Österreich hinwirken“ ebenfalls den Liftbetrieb einzustellen. „Ob es Erfolg hat, wird sich zeigen.“
Bisher sieht es nicht so aus. „Jedes Land wird selbst entscheiden, ob und wann seine Skigebiete geöffnet werden“, sagt die österreichische Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Die Entscheidung werde „in naher Zukunft“ fallen. „Österreich gibt auch keine Ratschläge, wann in Frankreich der Louvre wieder öffnen kann oder in Italien Restaurants oder Cafés aufsperren sollen“, sagt sie. Man wolle einen sicheren Winterurlaub ermöglichen. So gelte an den Liftanlagen Maskenpflicht und es gebe ein großes Testprogramm. „Ich sehe auf europäischer Ebene auch keine Rechtsgrundlage, auf der man die Schließung von Skigebieten verordnen könnte“, erklärt sie. „Von geschlossenen Grenzen oder Abriegelungen halte ich nichts.“
Nicht gerade für Entspannung zwischen Bayern und Österreich dürfte die Entscheidung Tirols sorgen, das von Bayern kritisierte nächtliche Durchfahrtverbot für Lkw auf der Inntalautobahn A 12 auszuweiten. Laut einer jetzt veröffentlichten Verordnung gilt es ab 1. Januar auch für Euro-6-Lkw.
Für die Schweiz ist eine Schließung der Wintersportgebiete derzeit kein Thema. Bundesrat, Behörden und die Tourismusbranche seien „überzeugt, dass der Schweizer Weg – für den Moment – richtig ist und die Wintersaison sicher stattfinden kann“, sagt Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus.
Viele Bayern werden künftig sowieso auf den Ausflug nach Österreich oder andere Risikoländer verzichten. Nach der Rückkehr müssen sie jetzt in Quarantäne. Die Ausnahmeregel für Aufenthalte unter 24 Stunden gilt nur noch bei triftigen Gründen wie Arbeit, Schule, Arztbesuche oder familiäre Angelegenheiten. Wann die bayerischen Lifte öffnen, ist unklar. Man hoffe, dass sich die Zahlen stabilisieren, um „zum Jahreswechsel auf Grün zu schalten“, sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). (mit lby)