München – Dass er als Bischof von Trier im Jahr 2006 einem Missbrauchsfall nicht nachgegangen ist, hat Reinhard Marx bereits eingestanden und bedauert. Es verfolgt ihn bis heute. Nun gründet der Münchner Kardinal mit dem Großteil seines Privatvermögens eine Stiftung, um Missbrauchsopfern „einen Weg zu Heilung und Versöhnung zu eröffnen“ und zieht damit persönliche Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Eine solche Reaktion ist in der katholischen Kirche in Deutschland bislang einzigartig.
Die Gründung der Stiftung mit dem Namen „Spes et Salus“ („Hoffnung und Heil“) hat viele positive Reaktionen ausgelöst. „Das könnte doch ein Anfang sein“, heißt es in einer Reaktion auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Positiv bewertet auch Robert Köhler, Vorstand des Vereins Ettaler Missbrauchsopfer, den Vorstoß des Kardinals: „Ich finde, das ist eine gute Geste, dass er das tut. Und das sollte doch auch Vorbild für die anderen Bischöfe sein“, sagte er unserer Zeitung. Der Missbrauch sei ein Thema, das die Kirche in ihrer Existenz gefährde. Durch ihr bisher relativ zögerliches Vorgehen hätten sich andere Gruppen der Gesellschaft, in denen auch Aufarbeitung notwendig ist, verstecken können. „Von daher ist es sehr wichtig, dass solche Zeichen gesetzt werden und jemand wirklich dafür sein privates Vermögen einsetzt“, sagte Köhler. Als erste persönliche Konsequenz würde er sich aber auch wünschen, dass sich diejenigen, die früher durch ihr Handeln bewirkt hätten, dass weitere Kinder zu Schaden gekommen sind, persönlich bei diesen Opfern entschuldigten. „Das ist für mich die Voraussetzung dafür, dass es auch glaubhaft rüberkommt, dass jemand zu dem steht, was da passiert ist.“ Wer zu einer persönlichen Begegnung nicht in der Lage sei, der sei „für ein solches Amt“ nicht geeignet. Jüngst hatte der frühere Bischof von Aachen, Heinrich Mussinghoff, erklärt, er habe sich durch Gespräche mit Missbrauchsopfern überfordert gefühlt. Ihm wird in neuen Untersuchungen vorgeworfen, mit Tätern viel zu mild umgegangen zu sein. Köhler wünscht sich hier „Lernfähigkeit“ und appellierte an die verantwortlichen Bischöfe, die Taten vertuscht haben, auf die vom Missbrauch Betroffenen zuzugehen. Die Stiftung von Kardinal Marx könne helfen, die Glaubwürdigkeit in die Institution und der handelnden Personen wieder herzustellen, glaubt Köhler.
Die Stiftung ist als Hilfe gedacht für „spirituell verletzte Menschen“. Kardinal Marx hat dazu in einer Videobotschaft erklärt: „Dass Menschen im Raum der Kirche ihren Glauben verloren haben, begleitet mich seitdem, und die Frage ist: Können wir etwas tun, dass Menschen ihren Glauben wiederfinden.“ Es geht hier aber nicht darum, die Betroffenen zu remissionieren, betonte Bernhard Kellner, Pressesprecher von Kardinal Marx. Die Stiftung suche vielmehr den Dialog mit den traumatisierten Betroffenen, um sie auf einem Weg zu einer religiösen Neuorientierung zu begleiten – „auf der Basis ihres jeweiligen Weltbildes“.
Dass eine spirituelle Hilfe für die Betroffenen dringend notwendig sei, bezweifelt Köhler indes. Er glaubt, für die meisten spiele das keine wichtige Rolle. Die finanzielle Unterstützung werde über die Deutsche Bischofskonferenz geregelt. „Das ist ein zusätzliches Angebot. Es wird sich in der Umsetzung herausstellen, was davon wirkt.“ Aber seiner Meinung nach könne nur positiv sein, wenn man sich mit den Betroffenen beschäftige.