Stillste Nacht

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

München – Kaum ein Tag vergeht, an dem Pfarrer Michael Vogg nicht nach Weihnachten gefragt wird. „Es treibt die Menschen sehr um, ob es Gottesdienste geben wird“, berichtet Vogg. „Und ob gesungen werden darf. Ein Weihnachten ohne ,Stille Nacht‘ können sich viele einfach nicht vorstellen.“ Vogg, Pfarrer der Gemeinde Heilig Geist in Apfeldorf (Kreis Landsberg), kann die vielen Fragen nicht beantworten. „Wir hängen gerade völlig in der Luft“, sagt er. Seit gestern noch etwas mehr als zuvor.

Die Erzdiözese München und Freising und die evangelisch-lutherische Landeskirche haben gestern den im Englischen Garten geplanten ökumenischen Weihnachtsgottesdienst mit Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm abgesagt. An dem Tag, an dem der Inzidenzwert in München wieder die 200er-Marke überschritten hat. Doch schon seit Tagen ist über den Weihnachtsgottesdienst im Freien beraten worden. Dass viele Leute gleichzeitig kommen und gehen würden, bereitete den Kirchen Sorgen. „Vor allem war aber die zu erwartende hohe Teilnehmerzahl ausschlaggebend für die Absage“, erklärt Christoph Kappes, Sprecher des Ordinariats. Das sei bei den momentanen Infektionszahlen nicht verantwortbar. Aktuell werde über Alternativen beraten. In jedem Fall sei ein Livestream geplant. „Damit haben wir in diesem Jahr viele gute Erfahrungen gemacht“, betont Kappes. „Die Nachfrage war sehr groß.“ Nichtsdestotrotz seien für die Menschen Gottesdienste vor Ort unersetzlich.

Für die geplanten Freiluft-Gottesdienste im Umland habe diese Absage zunächst keine Auswirkungen, sagt Kappes. „Dort wird die Zahl der Gottesdienstbesucher deutlich geringer sein.“ Entscheidend sei, dass es Hygienekonzepte gebe.

Pfarrer Vogg traut sich dennoch nicht, seinen Gemeindemitgliedern zu versprechen, dass der Gottesdienst stattfindet. „Wir warten ab, welche Vorgaben vom Ordinariat kommen“, sagt er. „Dann überlegen wir, wie wir das umsetzen können.“

Auch der Miesbacher Dekan Michael Mannhardt geht davon aus, dass die Kirche flexibel auf das Infektionsgeschehen reagieren muss. „Wir müssen mit allem rechnen“, sagt er. In Miesbach sind für Gottesdienstbesuche Anmeldungen nötig. Genau wie in Starnberg. Zu Weihnachten dürfen dort nur 110 der 700 Plätze in der Kirche besetzt werden, sagt Pfarrer Andreas Jall. Um das aufzufangen, sind drei Gottesdienste im Freien geplant. Er hofft darauf, dass sie stattfinden können. „Weihnachten ist ein sehr emotionales Fest“, sagt er. Fast jedes Jahr fließen in der Christmette auch Tränen. Das wundert ihn nicht. „Weihnachten wird uns mehr als sonst bewusst, dass nicht alles heil ist in unserer Welt.“ Und dieses Gefühl, sagt er, wird dieses Jahr stärker als sonst sein. „Umso schlimmer ist es für uns, wenn die Kirche Weihnachten nicht für alle geöffnet sein kann.“ Pfarrer Vogg aus Apfeldorf geht es ähnlich, auch ihn treibt dieser Gedanke um. Dieses Weihnachten werde ein sehr besonderes. Zumindest einen Aspekt gibt es aber, der ihn als Pfarrer zuversichtlich macht: „Die vielen Fragen nach der Christmette zeigen mir, wie sehr die Kirche für viele zum Weihnachtsfest gehört.“

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