Lockdown macht Gnadenhöfen zu schaffen

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI UND FREDERICK MERSI

München – Ein „weihnachtliches Wintermärchen“ hätte es werden sollen: Lichterglanz, festliche Dekoration, eine große Lebendkrippe und ganz viele gerettete Tiere: So sehen normalerweise die Weihnachtsmärkte von Gut Aiderbichl aus. Auf dem Stammgut in Henndorf bei Salzburg und auf den Gütern in Iffeldorf (Kreis Weilheim-Schongau) und Deggendorf sind sie einer der Höhepunkte im Jahr – und eine wichtige Einnahmequelle. Dieses Jahr mussten alle Märkte abgesagt werden, alle besuchbaren Güter sind geschlossen. „Weil das Weihnachtsgeschäft ausfällt, fehlt uns insgesamt eine Million Euro“, sagt Florian Müller von Gut Aiderbichl. Kosten in Höhe von 38 000 Euro würden täglich für Futter und Medikamente anfallen – doch viele Einnahmen bleiben mit dem zweiten Lockdown aus. „Sparen ist schwierig“, erklärt Müller. „Die Tiere müssen ja weiter versorgt werden.“ Zumal auch jetzt viele Tiere eine Heimat suchen. „Wir bemühen uns, weiterhin Tiere aufnehmen zu können“, betont Müller.

Anderen Höfen geht es ähnlich: Eine solch schwierige Situation habe er noch nicht erlebt, sagt Herbert Crnila. Mit seinem Verein im Kreis Rottal-Inn kümmert er sich um eine Tier-Schar aus Papageien, Pferden und Hühnern. „Wir hungern nicht. Aber ich muss schauen, wie wir über die Runden kommen.“ Dass er keine Besucher empfangen dürfe, mache es noch schwerer. „Wir haben keine Veranstaltungen, bei denen Geld reinkommt“, beklagt auch Sophie Putz, die im Chiemgau einen Gnadenhof betreibt. „An den Tieren sparen wir als Letztes. Aber wir müssen vor jedem Tierarztbesuch schauen, ob wir uns das leisten können.“

Viele Gnadenhöfe sind auf Spenden angewiesen. „Es gab schon einen Spendeneinbruch“, berichtet Sarah Seitz von der „Gewerkschaft für Tiere“, die in Germering (Kreis Fürstenfeldbruck) den Gnadenhof Gut Streiflach und in Bad Füssing (Kreis Passau) einen Bärenhof betreibt. „Die Situation ist nicht leicht, aber noch händelbar“, sagt sie. Die Höfe seien sowieso nicht auf Publikumsverkehr ausgerichtet. „Aber auch viele ehrenamtliche Helfer können gerade leider nicht auf den Hof.“

In Bayern bekommen Gnadenhöfe zudem meist nicht die Förderung, die Tierheime erhalten. „Gnadenhöfe dienen in der Regel nicht der Aufnahme, Pflege und Weitervermittlung von Fund- oder Abgabetieren“, erklärt ein Sprecher des Umweltministeriums. „Damit erfüllen sie in der Regel nicht die Voraussetzungen für die Tierheimförderung.“

Auch ein eigenes bayerisches Corona-Hilfsprogramm für Gnadenhöfe und Tierheime gebe es nicht, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. „Grundsätzlich ist es denkbar, dass auch Gnadenhöfe vom Bundesprogramm Überbrückungshilfe profitieren können“, sagt er. Gemeinnützige Unternehmen seien antragsberechtigt – vorausgesetzt, sie sind „dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig“ und hatten zum Stichtag mindestens einen Beschäftigten. „Bei Berechnung der Beschäftigtenzahl werden Ehrenamtliche nicht berücksichtigt“, erklärt der Sprecher. „Letztlich kommt es auf den Einzelfall an.“

Gut Aiderbichl zum Beispiel hat Staatshilfen beantragt. „Ob wir etwas bekommen, ist noch offen“, sagt Florian Müller. „Zum Glück haben wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet.“ Er wünscht sich, bald wieder Gäste empfangen zu können. „Die Besucher sind draußen und können sich auf einem großen Gelände bewegen“, erklärt er. „Wir leben davon, dass die Leute die Tiere sehen und erleben können.“ Es habe „unglaublich viele Anfragen“ gegeben, wie es den Tieren geht. „Wir versuchen virtuell mit den Besuchern Kontakt zu halten“, sagt Müller. Auch das Wintermärchen fällt nicht ganz aus. Jeden Adventssonntag erscheint online die Sendung „Gut Aiderbichl Weihnachtsmärchen“.

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