Garmisch-Partenkirchen – Die Corona-Krise stellt aktuell auch die Justiz vor Herausforderungen. Verfahren, die mit Betriebsschließungen wegen Covid-19 zusammenhängen, häufen sich – etwa, wenn Unternehmen aus der Gastro- und Hotelbranche aus bestehenden Betriebsschließungsversicherungen Ersatz einklagen wollen.
Wie komplex die Sachlage dabei zuweilen sein kann, zeigte gestern ein Fall am Landgericht München I. Als Kläger trat das Riessersee Hotel in Garmisch-Partenkirchen auf, das von der Allianz Versicherungs-AG zunächst mehr als 570 000 Euro Schaden aus dem ersten Corona-Lockdown im März geltend machte. In einer ersten Klageerweiterung wurden knapp 800 Euro für verdorbene Lebensmittel sowie in einer zweiten Klageerweiterung Ansprüche wegen des zweiten Lockdowns angegeben. Diese war der Beklagtenseite jedoch vor dem Termin noch nicht zugestellt worden.
Eine zentrale Frage, die Richterin Susanne Laufenberg gleich zu Beginn der Güteverhandlung zur Diskussion stellte, war der Zeitraum der Betriebsschließung während des ersten Lockdowns. „Ich will wissen, ob und ab wann die Tür zu und der Schlüssel umgedreht war“, fragte sie Hotel-Geschäftsführerin Dörte Mäder und Kläger-Anwalt Gerold Stoll. Mäder gab an, dass die Gäste am 18. März abreisen mussten. „Die Allgemeinverfügung ist aber doch erst am 20. März erlassen worden?“, hakte die Richterin nach. Die Geschäftsführerin erklärte, sich auf eine im Fernsehen übertragene Pressekonferenz berufen zu haben. „Die Polizei fuhr Kontrollen, ob die Hotelparkplätze leer sind“, fügte sie hinzu.
Bis zum 30. Mai seien laut Kläger nur vier Gäste für drei Tage beherbergt worden, bei denen es sich um Tunnelbauer und somit um Geschäftsreisende handelte. Mäder ergänzte, dass es zwar weitere Anfragen gegeben habe. Diese habe man aber wegen des Hygienekonzepts ablehnen müssen. „Wir hätten niemanden verköstigen können“, sagte sie. Für die Richterin war das jedoch einer der Knackpunkte. „Es kommt auf die Betriebsschließung an. Nicht darauf, dass sie wegen Corona wenig Gäste hatten. Sie haben zugemacht, weil sie sich wegen der Rechtslage unsicher waren“, entgegnete sie. Die Allianz führte außerdem an, dass das Hotel weiterhin für Tagungen im Internet geworben habe. „In Ihrem Fall ist es so, dass Ihnen – so sehe ich es derzeit – die Unterbringung von Geschäftsreisenden nicht verboten war“, beurteilte Richterin Laufenberg den Fall.
Neben diesem Umstand machte sie deutlich, dass ihr bei der Klage „belastbare Zahlen“ fehlen würden. Insgesamt würden die Ansprüche „auf wackligen Füßen“ stehen. Auf Nachfrage, ob ein Vergleich noch infrage kommen würde, zeigte sich die Beklagtenseite offen. „Die Allianz hat grundsätzlich Interesse daran, sich gütlich zu einigen“, teilte der Anwalt mit. Beide Parteien wollten daraufhin noch einmal außerhalb der Verhandlung Kontakt aufnehmen.