MASSGESCHNEIDERT

VON HERBERT SCHNEIDER Schlechter Gastgeber?

von Redaktion

Obwohl ich mir in der Vergangenheit alle Mühe gegeben habe, ein guter Gastgeber zu sein, vereinsamte ich doch von Jahr zu Jahr mehr. Lud ich Leute ein, so kamen sie ein einziges Mal – und dann nie mehr wieder. Einmal meiner Gastfreundschaft teilhaftig geworden, schützten sie, um mir ein zweites Mal zu entgehen, fiebrige Erkältungen, den Tod einer Lieblingstante oder Geschäftsreisen vor. Liegt da etwa gar ein Fehler deinerseits vor, konnte ich schließlich nicht umhin, mich zu fragen. Muss ich etwas ändern? Aber bitte urteilen Sie selbst.

Bisher hatte ich es so gehalten: Ich kaufte vier Pfund Aufschnitt, einen gewaltigen Kanten Emmentaler, ein Dutzend Rollmöpse, weiter ein Tragl Bier, fünf Flaschen Rotwein von der billigen Sorte und eine Flasche Zwetschgenwasser. Allerdings vergaß ich meist die Semmeln. Ich schlichtete die einzelnen Genüsse auf Suppenteller, stellte diese auf die Couch und häufte einen Berg Messer und Gabeln daneben. Für Wein und Schnaps stellte ich Gläser bereit, während ich beim Bier der Einfachheit halber für das viel originellere Trinken aus der Flasche eintrat. Damit sich meine Gäste ja wohlfühlten und merkten, dass sie sich keinen Zwang anzutun brauchten, empfing ich sie in verbeulten Jogging-Hosen und einem alten Pulli. Kaum waren sie eingetreten, schlug ich ihnen, gleich welchen Geschlechts, kräftig auf die Schulter und nannte sie, um ihnen meine Freude in aller Offenheit zu bekunden, „alte Bretterhüttn“, „vogelwilde Feldhaubitzn“, „alte Schiaßn“ und dergleichen, wie man halt unter gebildeten Menschen Leute nennt, die man von Herzen gern hat.

Alle freuten sich sichtlich über meine Aufmerksamkeiten. Wie staunten sie aber erst, als sie das kalte Büfett auf dem Sofa erblickten! Ein Lächeln trat auf ihre Züge, man sah direkt, wie ihnen das Wasser im Munde zusammenlief, und ich war sicher, dass sie das Fehlen von Brot sogar begrüßten, konnten sie sich doch nun mit ganzer Kraft der Wurst und dem Käse widmen. Sogleich öffnete ich die Bierflaschln, dass es lustig schnalzte, und drückte jedem eines in die Hand. Kaum hatten sie die Teller abgeräumt, gab ich – einer meiner besten Einfälle – an die Herren Schafkopfkarten und an die Damen ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel aus. Das war natürlich ein neuer Grund zur Freude für sie, ein frohes Lachen klang durch den Raum, noch dazu ich sofort fleißig Wein und Schnaps ausschenkte. Auch ich, der ich ja diese Unkosten gehabt hatte, hängte mich ordentlich in die geistigen Getränke und musste mich daher vor Mitternacht eine halbe Stunde auf den Teppich legen, eine Einlage, die meine Gäste sehr erheiterte. Alle versicherten mir bei ihrem Abgang, dass sie selten einen so fidelen Abend erlebt hätten. Und doch kamen sie nie mehr wieder.

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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