Wenn Jupiter und Saturn verschmelzen

von Redaktion

INTERVIEW Astronom Arno Riffeser erklärt die Theorien zur Entstehung des Weihnachtssterns

Der Stern von Bethlehem ist jedes Weihnachten ein symbolträchtiges Bild. Doch gab es das Himmelsphänomen? Möglicherweise handelte es sich dabei um eine seltene Planeten-Konstellation, die sogenannte „Große Konjunktion“, die heute wieder zu sehen ist – wenn der Himmel nicht zu stark von Wolken bedeckt ist. Dabei kommen sich Jupiter und Saturn so nahe wie zuletzt vor 800 Jahren. Dr. Arno Riffeser, Astronom an der Universitäts-Sternwarte München und dem Wendelstein-Observatorium, erklärt, warum diese Himmelskonstellation so besonders ist.

Herr Riffesser, was erwartet uns heute am Himmel? Und braucht es dafür ein Teleskop?

Nein, ein Teleskop braucht es nicht. Wenn sich heute kurz nach Sonnenuntergang zwischen 17 und 18 Uhr am südwestlichen Nachthimmel (etwa 10 bis 15 Grad über dem Horizont) Saturn und Jupiter so nahe kommen, dass es aussieht als sei dort ein neuer sehr heller Stern am Firmament, dann wird das hell genug sein, dass man es mit bloßem Auge sehen kann. Besser natürlich, wenn man einen Standort ohne viel Lichtemissionen wählt. Aber das gilt für alle Sternenbeobachtungen.

Dieses Phänomen ist auch für Astronomen etwas Besonderes. Warum?

Na, weil es wirklich selten vorkommt. Jupiter benötigt für eine Umrundung der Sonne knapp zwölf Jahre, Saturn hingegen fast 30 Jahre. Somit stehen sie von der Erde aus gesehen nur ungefähr alle 20 Jahre in einer Linie. Die beiden Planeten mit ihren Monden lassen sich deshalb nur alle 20 Jahre auf ein und derselben Aufnahme ablichten. Da sind wir Astronomen natürlich sehr heiß drauf. Heute Abend könnten wir es mit unseren neuen, leistungsfähigeren Instrumenten am Wendelstein-Observatorium zum ersten Mal schaffen, sie wirklich scharf aufzunehmen. Und somit unser erstes Foto von der Großen Konjunktion, also sozusagen vom Weihnachtsstern, machen.

Also ist die Große Konjunktion das, was man für den Weihnachtsstern hält?

Jein. Man müsste sagen, es ist das Phänomen, das Astrologen, die sich ja der Deutung von Zusammenhängen zwischen astronomischen Ereignissen und irdischen Vorgängen widmen, mit dem Stern von Bethlehem verbinden. Es wäre eine sehr plausible Erklärung, nachdem Astronomen zurückrechnen konnten, dass es sich beim Stern vom Bethlehem nicht um einen Kometen oder eine Nova- oder Supernova handeln konnte. Bekannte helle Kometen kamen um Christi Geburt herum nicht vor und sind zudem nicht so besonders, als dass sie drei Weise aus dem Morgenland, sprich drei Astrologen aus Babylon, zu einer so langen Reise bewogen hätten. Mal abgesehen davon, dass Schweifsterne damals als Unheilboten galten. Zudem stehen Novae und Supernovae nie so lange am Himmel, als dass sie einem über Monate den Weg weisen könnten.

Der Weihnachtsstern ist also eine Erfindung?

Das auch wieder nicht. Es ist eine Deutung eben jenes Phänomens, das uns heute Abend bevorsteht. Es war der deutsche Astronom Johannes Kepler, der angesichts der Jupiter-Saturn-Konjunktion am 17. Dezember 1603 auf die Idee kam, dass diese Konstellation den Stern von Bethlehem erklären könnte. Er errechnete als Erster, dass die Große Konjunktion im Jahre 7 vor Christi Geburt drei Mal stattfand – und zwar am 29. Mai, am 3. Oktober und am 4. Dezember. Die letzte dieser drei Großen Konjunktionen damals war im Sternbild Fische – was nochmal etwas Besonderes ist. Das war im Jahre 7 vor Christus auch aus heutiger Sicht schon eine richtig große und auffällige Sache.

Das erklärt aber nicht, was das mit der Geburt des Heilands zu tun hat.

Nun, das fand wiederum der deutsche Archäologe Paul Schnabel 1925 heraus. Er hatte babylonische Keilschriften entdeckt, die belegten, dass man an der Astrologenschule in Babylon von dem Dreifach-Phänomen Kenntnis hatte. Und weil dort der Jupiter als Symbol für einen König galt, der Saturn als Schutzsymbol für das Volk Israel und das Sternzeichen Fische für das Westland, wie die Babylonier „Israel“ nannten, zählten sie eins und eins zusammen: Sie erwarteten im Westland die Geburt eines Königs, der das Volk Israel schützen und ihm Heil bringen konnte. Dieser Teil der Weihnachtsgeschichte lässt sich auch astronomisch nachvollziehen.

Inwiefern?

Wenn man davon ausgeht, dass die drei Weisen sich nicht nach der ersten Großen Saturn-Jupiter-Konjunktion Ende Mai bei hochsommerlichen Temperaturen auf den Weg gemacht haben, sondern per Kamel die rund zwei Monate dauernde Reise am 3. Oktober 7 v. Chr. angetreten haben, dann wären sie Anfang Dezember in Jerusalem gewesen. Dort zeigte sich die große Konjunktion im Sternbild der Fische abends exakt über Bethlehem und so konnten sie dem „neuen“ Stern folgen.

Davon abgesehen, dass man sich also in der Geschichtsschreibung um sieben Jahre vertan haben könnte: Welches Großereignis zum anderen führte, ist also eine Sache der Perspektive?

Die Wissenschaft der Astronomie kann zwar die Planeten- und Sternkonstellationen vorhersagen und rekonstruieren, Geschichtliches oder Religiöses daraus abzuleiten, bleibt aber Sache des Glaubens.

Interview: Alexandra Korimorth

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