Verärgerung über Spezialeinheit für Pflegeheime

von Redaktion

Kritik von Caritas, Stiftung Patientenschutz und SPD – Staatssekretär rechtfertigt 200-köpfige Kontrollgruppe

München – Vom Coronavirus betroffene Alten- und Pflegeheime in Bayern werden von dieser Woche an von einer neuen Spezialeinheit unterstützt. „Sobald ein einziger Fall in einem Heim auftritt, wird sie aktiviert“, sagte der Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek (CSU). Ziel sei es, das Ansteckungsrisiko in den Heimen so schnell wie möglich zu reduzieren. Dafür sieht das Konzept bei Bedarf im Notfall vor, vorübergehend die Fachkraftquote in den Heimen auszusetzen.

Die neue rund 200-köpfige schnelle Einsatzgruppe Pflege soll vorbeugen, beraten und kontrollieren. Das Personal rekrutiert sich aus Mitgliedern der bestehenden Taskforce des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und einem Einsatzstab aus Mitarbeitern des Landesamts für Pflege. Dieser übernimmt die Einsatzplanung, koordiniert das Vorgehen und überwacht die konsequente Umsetzung ergriffener Maßnahmen. Hinzu kommen Experten der Gesundheitsämter und der Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen.

Neben der prophylaktischen Beratung über Masken- und Testpflicht sowie Testangebote für Bewohner wie Mitarbeiter sieht das Aufgabenfeld der Einsatzgruppe auch vor, im Falle einer Infektion unter anderem mögliche Verlegungen von Heimbewohnern und sofortige Reihentestungen zu prüfen. Auch müsse „überflüssige Bürokratie“ abgebaut werden, betonte Holetschek.

Dies sieht auch die Möglichkeit vor, vorübergehend die Fachkraftquote in den Heimen auszusetzen, „um die Einrichtungen handlungsfähiger und flexibler zu machen“. „Klar ist dabei: Die Qualität der Pflege darf darunter nicht leiden“, betonte Holetschek. Die Fachkraftquote schreibt in normalen Zeiten vor, dass in einer Einrichtung mindestens jeder zweite Mitarbeiter eine ausgebildete Fachkraft sein muss. Nicht als Fachkräfte gelten Altenpflegehelfer, Krankenpflegehelfer und vergleichbare Hilfskräfte. Auch bei Nachtwachen muss mindestens eine Fachkraft anwesend sein.

Von der neuen Spezialeinheit sind nicht alle überzeugt. Die Stiftung Patientenschutz hält sie für keine gute Idee. Es brauche keine „kontrollierenden Sheriffs“, wenn die Gesundheit und das Leben der Heimbewohner bedroht seien. „Wichtig wären helfende Hände, damit die Pflegebedürftigen durch die Krise kommen“, teilte Vorstand Erwin Brysch mit. Aber eine Taskforce, die bei Grund- und Behandlungspflege unterstütze, sei nicht zu sehen. Er forderte zusätzliches Personal für Schnelltests vor jeder Einrichtung. Die Caritas zeigte sich verärgert: „Wir brauchen Leute, die anpacken, nicht noch mehr Leute, die kontrollieren“, erklärte Caritasdirektor Bernhard Piendl. Es gebe keine gesicherten Informationen über die Befugnisse der Spezialeinheit.

Auch Ruth Waldmann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, bezeichnet die neue Spezialeinheit für einen „Affront“ gegenüber den Heimen. Anstatt der dringend benötigten Unterstützung, würden 200 Mitarbeiter aus Gesundheitsämtern und der Heimaufsicht zusätzliche Kontrollen durchführen. „Die Gefahr liegt doch nicht darin, dass die Heime nicht selber wüssten, wie man die Bewohner vor dem Coronavirus schützt oder dass sie das nicht wollten“, betont Waldmann. „Eng wird es doch, wenn das Personal überlastet ist.“ Die Pflegekräfte bräuchten keine Beratung oder Kontrolle, sondern Entlastung und Hilfe. Die 200 Kräfte seien sinnvoller als Unterstützung beim Testen und Impfen eingesetzt.  lby/kwo

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