„In der ersten Trauerphase geht es ums nackte Überleben“

von Redaktion

Münchner Krisen-Expertin Ulla Baier-Schröder erklärt, wie Familien den Tod eines Kindes bewältigen können

Krebs trifft oft auch Kinder. Für Eltern und Geschwister ist es schwer zu verkraften, wenn ein Kind stirbt. Diesen Familien stehen Ulla Baier-Schröder und ihre Kollegen bei – mit ihrem Projekt KONA (Koordinationsstelle psychosoziale Nachsorge für Familien mit an Krebs erkrankten Kindern).

Kann man den Tod seines Kindes verkraften?

Man findet nie zu dieser gewissen Leichtigkeit des Lebens zurück, die man vor dem Verlust vielleicht hatte. Ich kenne jedenfalls keinen einzigen Fall, in dem das den Eltern gelungen ist. Aber man kann es schaffen, mit dem Verlust leben zu lernen.

Der Schlüssel dazu liegt darin, der Trauer Raum zu geben. Aber es dauert oft lange Zeit, bis die Eltern den Versuch dazu wagen können.

Viele Eltern verdrängen ihre Trauer also?

Ja, notgedrungen. Unmittelbar nach dem Verlust des Kindes ist es vielen Eltern gar nicht möglich, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen, weil sie zu schmerzhaft sind. In der ersten Phase geht es ums nackte Überleben. Unser Ziel ist es, den Familien dabei zu helfen, sich langsam ihrer Trauer zu öffnen. Das ist ein langer Weg, der vieler mutiger Schritte bedarf. Trauerwege sind anstrengend und ganz individuell. Wir begleiten manche Familien bis zu fünf Jahre.

Welche mutigen Schritte muss man konkret gehen, um die Trauer zuzulassen?

Im Kern geht es darum, seinen eigenen individuellen Trauerweg zu gehen, sich mit intensiven Gefühlen wie Schmerz, Sehnsucht und Ohnmacht, aber auch Dankbarkeit und Liebe für das, was war, auseinanderzusetzen – bis in einem langsamen Wandlungsprozess der Verlust integriert werden kann. In Verbundenheit durch Liebe und Erinnerung kann so der Weg zurück ins eigene Leben gefunden werden.

Wie können Sie Eltern bei diesem schmerzhaften Prozess helfen?

Manchmal schauen wir gemeinsam Familienfotos an, gehen zusammen in das Zimmer des verstorbenen Kindes, sortieren seine Sachen. Wir begleiten die Eltern auch ans Grab, sprechen mit ihnen, wie sie die Beerdigung erlebt haben, oder feiern gemeinsam Gedenkgottesdienste. Und wir versuchen, sie dabei zu unterstützen, selbst Impulse für eine neue Lebensperspektive zu setzen.

Wie können diese Lebensperspektiven aussehen?

Im Fall von Nicis Mama helfen wir beispielsweise bei der Suche nach einer geeigneten Anstellung oder Job. Es kann auch darum gehen, bei finanziellen Schwierigkeiten zu helfen oder psychologische Betreuung auch für die Geschwister zu organisieren.

Interview: Andreas Beez

Spendenmöglichkeit

Initiative krebskranke Kinder München e.V. , Projekt KONA, Stadtsparkasse München, IBAN: DE44 7015 0000 0000 3943 61; BIC: SSKMDEMM

Artikel 10 von 11