„Wir Fahrschulen werden vergessen“

von Redaktion

VON CLAUDIA SCHURI

München – Wer auf Dachaus Straßen unterwegs ist, der wird im Verkehr sicher dem ein oder anderen ehemaligen Schüler von Andrea Schmidt begegnen. Die 53-Jährige ist Fahrlehrerin und führt mit ihrem Mann die Fahrschule Jan. Seit rund 45 Jahren gibt es das Unternehmen – doch so ernst wie jetzt sei die Situation noch nie gewesen, sagt Schmidt. „Es ist katastrophal. Ich weiß nicht, wie lange wir noch durchhalten.“

Seit 5. Dezember ist die Fahrschule geschlossen – zunächst wegen eines hohen Inzidenzwertes im Kreis Dachau, dann wegen des Lockdowns. Versicherungen, Leasingraten, Instandhaltungskosten, Mieten – alles muss aber weiter gezahlt werden. „Das geht in die Zehntausende“, berichtet Schmidt. „Wir Fahrschulen werden vergessen.“ Beim ersten Lockdown habe es Corona-Hilfe gegeben. Jetzt aber habe ihre Firma noch keine weiteren Hilfen bekommen.

Mangelnde Unterstützung kritisiert auch der Landesverband Bayerischer Fahrlehrer. „Die November- und Dezemberhilfe sind für Fahrschulen nicht nutzbar“, sagt der Vorsitzende Jürgen Kopp. „Dafür wurden sie zu spät geschlossen.“ Seine Prognose: „Wir gehen davon aus, dass über 20 Prozent der Fahrschulen in Existenznot geraten.“ Für Betriebe in Grenzregionen sei problematisch, dass in Hessen und zum Teil auch in Baden-Württemberg weiter Fahrunterricht stattfinde. „Bayerische Fahrschüler werden abgeworben“, sagt Kopp. „Dabei ist es eigentlich verboten, dass die Fahrschulen gerade auf bayerischem Boden ausbilden.“ Nur Durchfahrten seien erlaubt.

In Bayern dürfen Fahrschulen nur Theorieunterricht über das Internet anbieten. Doch: „Für einen Online-Theorieunterricht ist erst einmal eine größere Anschaffung an Hard- und Software notwendig“, erklärt Fahrlehrerin Schmidt. „Diese Voraussetzungen sind nur für Großfahrschulen zu stemmen.“

Jürgen Kopp sieht eine weitere Herausforderung. „Es ist wichtig, das, was im Theorieunterricht gelernt wird, mit der Praxis zu verzahnen“, sagt der Fahrlehrer aus Moosburg (Kreis Freising). Aktuell gibt es theoretische Prüfungen – bis zur nächsten Fahrstunde gerate aber vieles wieder in Vergessenheit. Zudem kämen die Schüler aus der Übung. „Da sind sicher Wiederholungsstunden nötig.“

Damit rechnet auch eine 17-jährige Fahrschülerin aus Fürstenfeldbruck. „Ich bin seit eineinhalb Monaten nicht mehr gefahren und werde wahrscheinlich noch ein paar Fahrstunden nehmen müssen“, erzählt sie. Ihre praktische Prüfung wurde zweimal verschoben: Beim ersten Termin musste sie in Corona-Quarantäne und beim zweiten Termin waren keine Prüfungen mehr erlaubt. „Es war lange unsicher, fünf Tage vorher ist es dann festgestanden“, sagt sie. In einer ähnlichen Situation ist Alina Biermeier aus Sauerlach (Kreis München). Sie wollte begleitetes Fahren ab 17 machen. „Die Gebühren habe ich schon gezahlt und die Versicherung wäre auch günstiger gewesen“, erzählt sie. Doch jetzt wird sie in zwei Wochen 18 – und den Führerschein hat sie immer noch nicht, dafür haben sich die Prüfungsgebühren erhöht. Auch sie steht kurz vor der Prüfung. „Im Februar hätte ich Stunden gebucht“, sagt sie. „Aber ich glaube nicht, dass sie stattfinden.“

Die Fahrschulen betonen, für die Wiedereröffnung gerüstet zu sein. Durch den Lockdown könnte es zu einem Anstau an Fahrschülern gekommen sein. „Aber wir haben auch nur begrenzte Kapazitäten“, sagt Kopp. Auf der anderen Seite ist die Sorge, dass mancher zunächst auf den Führerschein verzichtet. „In so unsicheren Zeiten überlegen sich vielleicht viele, ob sie noch damit warten“, befürchtet Schmidt. „Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, merken wir es als eine der ersten.“

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