München – Es sind die „Überlebenden“, die bei der Tagung des „Synodalen Wegs“ fast vergessen lassen, dass die Versammlung der katholischen Kirche dieses Mal wegen Corona im kühlen Internet-Raum stattfindet. Johanna Beck, Kai Christian Moritz und Johannes Norpoth – das Sprecherteam des Betroffenenbeirats der Bischofskonferenz – wurden ein Jahr nach dem Start des Projekts zur Teilnahme eingeladen. Damit wurde ein „Webfehler“ der Veranstaltung aufgehoben. Denn der „Synodale Weg“ ist schließlich Folge des Missbrauchsskandals in der Kirche und fand bislang ohne Vertreter der Opfer statt.
Dabei ist es ein regelrechter Spagat, auf den sich das Trio eingelassen hat. Denn sie sind nicht mit einem Mandat der Betroffenen ausgestattet und müssen damit leben, „dass uns genügend Überlebende Fraternisierung mit dem Feind vorwerfen werden“, wie es Kai Christian Moritz ausdrückt. Die Frage für sie sei auch nicht, warum sie trotz des Missbrauchs noch in der Kirche sind, sondern „warum die Täter noch in ihr geduldet werden“. Ausdrücklich zählt er dazu die „Tat-Ermöglicher“ und „Vertuscher“. Die Opfer-Vertreter drängen auf personelle Konsequenzen – unabhängig von der Reputation der Täter, wie Johannes Norpoth betont. Zutiefst verletzt sind die Betroffenen, auch wenn die Taten viele Jahre zurückliegen. „Jeder von uns blutet jeden Tag auf unterschiedlichste Art und Weise“, beschreibt es Moritz.
Unter dem Eindruck dieser Stimmen ging am zweiten Tag die inhaltliche Arbeit in den vier Foren über Macht in der Kirche, die Zukunft des priesterlichen Lebens, die Rolle der Frau und die Sexualmoral weiter. Der Handlungsdruck, unter dem die Kirche steht, ist groß. Spürbar war die Spannung besonders zwischen dem rechtlich Möglichen und den Wünschen vieler Teilnehmer beim Thema Rolle der Frauen. Gerade in diesem Forum erwarten viele Teilnehmer etwa eine Zulassung von Frauen zu allen Ämtern, doch der Vatikan macht hierzu bislang keinerlei Hoffnungen. Die Geschlechtergerechtigkeit nannte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode aber eine Kernfrage der Theologie: „Wir kommen ans Eingemachte.“ Das Amt des Priesters ist indes nach den Worten des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer in der katholischen Kirche Männern vorbehalten. Als Vertreter der konservativen Minderheit betonte er, dass aus seiner Sicht die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern mit kirchlicher Lehre und biblischer Überlieferung unvereinbar sei. Kardinal Reinhard Marx, der an einer Anhörung über die Rolle der Frau teilgenommen hatte, sagte auf Nachfrage, dass die Synodalen die Frage zur Öffnung der Weiheämter für Frauen in allen Bereichen eingebracht hätten. „Die Frage bewegt auch mich sehr.“ Es habe eine große Übereinstimmung gegeben, dass man an dem Thema weiterarbeiten müsse. „Wir hätten vor 15 Jahren nicht so offen darüber reden können wie jetzt.“ Die Online-Tagung sei ein Zwischenschritt, um die Kommunikation bis zur nächsten Vollversammlung am Laufen zu halten. Dass der „Synodale Weg“ überhaupt stattfinde, sieht er als Fortschritt. Trotz der schwierigen Diskussionslage habe er an Fahrt aufgenommen. „Es war viel Engagement zu spüren. Ich empfinde das als große Ermutigung.“ Beschlüsse können laut Marx nur gefasst werden, wenn auch eine Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Bischöfe vorliege. „Man wird Kompromisse machen müssen und sehen, dass alle beisammen bleiben.“
Zur Wortmeldung des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki, der vor den Synodalen Fehler in der Missbrauchsaufarbeitung eingeräumt und versprochen hatte, im neuen Gutachten die Namen von Verantwortlichen zu nennen, stellte Marx fest: „Ich begrüße, wie Kardinal Woelki sich geäußert hat. Er hat klar Fehler eingeräumt. Ich hoffe, dass sich daraus neues Vertrauen und positive Perspektiven im Erzbistum Köln entwickeln.“