„Die Passion 2022 wird stattfinden“

von Redaktion

INTERVIEW Jesus-Darsteller Rochus Rückel über den Barterlass und Proben in Pandemie-Zeiten

Oberammergau – Die Telefone der Friseure stehen nicht mehr still. Deutschlandweit wollen sich die Menschen nach der Wiedereröffnung der Friseurläden Anfang März von ihren Lockdown-Haarmähnen befreien. Einzige Ausnahme: Oberammergau. Dort ist es den Protagonisten der Passionsspiele 2022 ab Aschermittwoch verboten, sich die Haare schneiden zu lassen. Die gewünschte Länge der Frisur für die Gelübdespiele dürfte bei einigen nach monatelangem Lockdown bereits weit vor der Premiere beinahe erreicht sein. Bestes Beispiel: Rochus Rückel. Der 24-Jährige wird im kommenden Jahr erstmals als Jesus auf der Bühne stehen.

Herr Rückel, Sie sehen fast so aus wie kurz vor der Premiere bei den Passionsspielen, haben schulterlanges Haar. Legen Sie vor Aschermittwoch noch mal selbst Hand an oder lassen Sie die Mähne wuchern?

Ich bin vom Typ her Bartträger und mag es auch gerne, wenn die Haare länger sind. Mit Locken brauche ich glücklicherweise morgens im Bad trotzdem nicht länger als zehn Minuten, die sehen einfach immer gut aus. Vielleicht lasse ich mir aber vor Mittwoch von der Mutter meiner Freundin noch die Haare schneiden. Aber nur die Spitzen.

Bärte und FFP2-Masken vertragen sich bekanntlich nicht. Abrasieren oder nicht mehr einkaufen gehen, wofür entscheiden Sie sich in diesem Fall?

Keins von beiden. Momentan ist der Bart noch so kurz, dass die Maske gut anliegen kann. Sollte sich das ändern, werde ich ihn definitiv stutzen. Es reicht bei mir vollkommen aus, wenn ich ihn vier Monate vor der Premiere wachsen lasse.

Und die Menschen in Oberammergau? Tragen die schon zottelige Passions-Mähnen oder greifen sie zum Rasierer, solange es geht?

Unterschiedlich. Es fällt auf, dass nicht mehr das komplette Dorf mit langen Haaren unterwegs ist. In ein paar Monaten werden aber wieder alle mit langen Bärten und Haaren durch die Gegend laufen. Dann drehen sich die Gedanken unweigerlich um die Passion. Wobei: Als Oberammergauer denkt man ohnehin jeden Tag daran.

Glauben Sie an die Passionsspiele 2022?

Ja, sicher tue ich das! Die Passion 2022 wird stattfinden. Die Frage ist nur, unter welchen Umständen. Das, was auf der Bühne passiert, ist ja nur 30 Prozent des Geschehens. Die anderen 70 Prozent bekommt der Zuschauer gar nicht mit. Da geht es um das soziale und gesellschaftliche Miteinander. Das sehe ich viel eher in Gefahr.

Können Sie sich die Aufführungen mit Hygienekonzept und weniger Zuschauern vorstellen?

Auch das halte ich für eine realistische Option. Gerade bei uns in Oberammergau mit dem riesigen Freilufttheater, da könnten die Zuschauer gut verteilt werden. Problematischer werden die Proben. Mit Maske ist das sehr schwierig, da sehr viel vom Gesichtsausdruck verloren geht. Dann noch lieber mit viel Abstand voneinander.

In den Proben hingen Sie als Jesus bereits am Kreuz. Was geht einem da durch den Kopf?

Wenn du am Kreuz befestigt wirst, läuft es dir eiskalt den Rücken runter, bei dem Gedanken, wie grausam der Mensch doch sein kann. Hängst du dann oben, merkst du, dass dich hunderte von Menschen mustern. Ein gewöhnungsbedürftiges Gefühl.

Bekommen Sie als Jesus Fanpost?

Zweimal habe ich bereits einen Brief bekommen. Das hat mich gefreut. Sollte es allerdings häufiger vorkommen, fände ich es auch ein wenig gruselig.

Wie oft gehen Sie in die Kirche? Sind Sie gläubiger geworden, seitdem Sie den Jesus spielen?

Ich bin sehr religiös geprägt aufgewachsen, auch wenn ich in letzter Zeit eher selten in der Kirche war. Um bei den Passionsspielen mitspielen zu können, muss man aber nicht zwingend gläubiger Christ sein.

Interview: Marco Blanco Ucles

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