MASSGESCHNEIDERT

VON HERBERT SCHNEIDER Das Knödel-Dilemma

von Redaktion

Man nennt uns Knödel-Bayern. Und warum auch nicht? Wir sind’s ja vom Gaumen gern!

Ein Wissenschaftler würde sagen, der Knödel sei den Bayern adäquat. Wir sagen, ohne ihn wär das Leben bloß halb so rund. Ein schöner handgedrehter Knödel, das ist Barock zum Essen, das ist nachempfundenes Bayern: stramme Wadl und ein handliches Sennerinnen-Kröpferl stecken ebenso darinnen wie die Einlage für einen sehenswerten Dirndlausschnitt. Und doch – ein Manko haftet dem Knödel an, besser gesagt seinen zwei Hauptarten, dem Semmelknödel und dem Kartoffelknödel: Man weiß nie, ob am End’ der andere nicht doch der bessere wär.

Da sitzt du vor deinem Braten oder einem „Bifflamott“, wie das Boeuf à la mode hierzulande heißt, und zerteilst ein wahres Prachtexemplar von Semmelknödel, als dich auch schon der bange Zweifel befällt: Herrschaftszeiten, ein Kartoffelknödel wär jetzt auch nicht schlecht! Hat man dir aber einen makellosen Kartoffelknödel gebracht, dann geht’s genau umgekehrt, und du sinnst ein wenig traurig dem Geschmack eines Semmelknödels nach.

Die Lösung des Problems ist so einfach, dass man sich bis in die Knödelteigschüssel hinein schämen muss, weil man nicht schon längst selber darauf gekommen ist. Es war in einem Landgasthof, wo dieses simple Wunder geschah und uns die Augen auf- und übergingen. Ein Tag, würdig, dem Zerschlagen des gordischen Knotens durch Alexander den Großen oder dem Eier-Trick des Kolumbus an die Seite gestellt zu werden!

Knödelfreunde, hört und staunt: Man servierte uns dort den Schweinsbraten mit einem Semmelknödel und einem Kartoffelknödel! Nicht oder und wahlweise, sondern und, und, und noch einmal und!

Ja, das war freilich ein königliches Speisen! Da mischte sich kein störendes Gelüst, kein sündiges Begehren nach seines Nächsten Knödel ein. Nein, da war nichts als eitel Wonne und Zufriedenheit am Tisch. Einmal einen Brocken Semmelknödel in die Soße getaucht und zum Mund geführt, und dann gleich darauf einen Brocken Kartoffelknödel! Herrlich, wunderbar, einmalig!

Und es stimmt auch gar nicht, was in einem Gstanzl behauptet wird: Da Semmelknödel und da Kartoffelknödel,/ die ham si net vertragn,/ da hat da Semmelknödel an Kartoffelknödel/ vom Tisch owigschlagn! Weder auf dem Teller noch hernach im Magen ist es zu Tätlichkeiten gekommen!

Natürlich bin ich mir der Tragweite meiner Enthüllung voll bewusst. Nicht wenige Wirte und Hausfrauen werden voll zorniger Erbitterung ausrufen: Ja spinnt denn der? Meint der vielleicht, dass wir noch nicht genug Arbeit haben und künftig gleich immer zwei Knödelsorten servieren? Und vielleicht vorher auch noch Leberknödelsuppe, ha? Andere wieder werden sagen: Mein Mann isst sowieso nur einen Knödel! Denen antworte ich: Für solche Kümmerlinge müsst ihr eben dann die zwei Knödel kleiner machen. Obwohl ein Mensch, der nur einen Knödel zwingt, das eigentlich gar nicht verdient!

Jedenfalls: Wissend um die Möglichkeit eines vollendeten Knödelglücks musste ich im Interesse der bayerischen Volkswohlfahrt diese meine Aussage machen. Ihr zornigen anders- und querdenkenden Bayern, erschießt mich meinetwegen mit eingefrorenen Knödeln – hier stehe ich, ich kann nicht anders!

An dieser Stelle schreibt unser Turmschreiber

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