2000 Einzelhändler: „Wir bluten aus“

von Redaktion

VON BETTINA STUHLWEISSENBURG

Bad Tölz – Die Probleme sind nicht neu: Gewerbegebiete auf der grünen Wiese, die dem traditionellen Einzelhandel in den Ortszentren Konkurrenz machen, Online-Händler, die den Läden die Kunden wegschnappen. Doch die beiden Corona-Lockdowns wirken wie ein Brennglas – und verschärfen die Probleme.

Jetzt reicht es dem Einzelhandel: Mit der Resolution „Wir bluten aus!“ fordern 29 Vereinigungen mit mehr als 2000 Betrieben von der Staatsregierung vier Maßnahmen, die den gebeutelten Ortszentren auf die Beine helfen sollen. Monika Uhl vom Penzberger Verein „Pro Innenstadt“ hat die Resolution auf den Weg gebracht – und einen Nerv getroffen: Unterschrieben haben nicht nur Geschäftsleute aus dem Oberland – die Liste reicht über München und Rosenheim bis nach Würzburg. Persönlich zur Präsentation nach Bad Tölz gekommen ist aber nur ein Bruchteil der Unterzeichner. Tölz wurde gewählt, weil die schöne, traditionsreiche Fußgängerzone besonders gut veranschauliche, was derzeit auf dem Spiel stehe.

Die Unterzeichner fordern erstens die Auflage eines Sonderfonds „Innenstadt“, der in den Haushalt 2021 eingestellt wird und ab 1. Mai 2021 von den Kommunen im Bayerischen Wirtschaftsministerium abgerufen werden kann. Die Kommunen sollen einen Eigenanteil von 25 Prozent beisteuern. Zweck des Fonds sei die „Attraktivierung“ der Ortszentren nach dem zweiten Lockdown. Zweitens wollen die Einzelhändler die Erlaubnis für insgesamt acht verkaufsoffene Sonntage bis 30. November 2021. Drittens verlangen sie eine Initiative auf Bundesratsebene mit dem Ziel, die Finanzmittel des Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramms für 2021 zu verdoppeln. Viertens fordern sie, dass Geschäfte, die ein geprüftes Hygienekonzept haben, im Fall eines weiteren Lockdowns nicht schließen müssen.

Adressat der Händler ist nicht nur die Regierung: „Der Kunde hat es letztlich in der Hand“, sagt Peter Wiedemann, Chef einer Parfümerie mit 23 Filialen in bayerischen Kleinstädten sowie in München. „Er muss entscheiden: Kaufe ich bei Amazon oder möchte ich auch in Zukunft eine attraktive Innenstadt?“ Wolfgang Fischer von der Münchner Vereinigung CityPartner sagt: „Innenstadt ist mehr als Einkaufen. Innenstadt ist ein sozialer Treff. Wenn die Innenstädte hopgehen, sterben die Kommunen.“ Jana Krivanek, Inhaberin einer Modeboutique in Weilheim betont: „Kernkompetenz aller inhabergeführten Läden ist die persönliche Beratung am Kunden, nicht Click and Collect. Wir wissen, dass der Kundin nicht dieses, sondern jenes Kleid besser steht. Weil wir die Kunden kennen. Wir sprechen miteinander, wir lachen miteinander. Wir lassen Einkaufen nicht zum One-Click-Shopping verkümmern, sondern es soll ein Erlebnis bleiben.“

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