CSU-Politiker unter Bestechungsverdacht

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND DIRK WALTER

Berlin/München – Der Einsatz ist minutiös vorbereitet. Zwei Staatsanwälte betreten gestern morgen den Ausschuss des Bundestags, der heikle Immunitätsfragen regelt. Sie kommen sofort zu Wort, beantragen, ein gutes Dutzend Räume, Büros und Wohnungen eines einflussreichen Abgeordneten durchsuchen zu dürfen. Der Ausschuss stutzt, lässt sich über die Vorwürfe näher informieren, gibt einstimmig grünes Licht, das Plenum folgt. Einen Augenblick später betreten Fahnder, die schon vor der Tür warteten, das Parlament und durchsuchen die Räume.

Schnell und ohne Zögern geht die Justiz vor. Es trifft den CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein, einer der Vize-Chefs der Unions-Fraktion. Offenbar gibt es dafür gute Gründe. Der 51Jährige aus Schwaben, seit 2002 im Bundestag, steht im Verdacht, über ein Geflecht an Zwischenhändlern 660 000 Euro Provision in einem Masken-Deal eingestrichen zu haben – unversteuert. Nüßlein soll sich im vergangenen Frühjahr unter anderem beim Bundesgesundheitsministerium und beim bayerischen Gesundheitsministerium für einen Lieferanten von Schutzmasken eingesetzt haben. Auch gegen einen Mitarbeiter dieses Herstellers wird ermittelt. Der Großauftrag war auch zustande gekommen, berichtet das Protal „ThePioneer“. Der Bund hat 2020 im großen Stil Masken gekauft – die Stückzahl geht in die Milliarden. 700 Firmen kamen dabei zum Zug – und eine könnte sich, so der Anfangsverdacht der Generalstaatsanwaltschaft München, Protektion von Georg Nüßlein verschafft haben. „Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens“ seien gestern „13 Objekte in Deutschland und in Liechtenstein“ durchsucht worden. Darunter war auch das Privathaus von Nüßlein in Münsterhausen bei Günzburg und die dortige CSU-Geschäftsstelle. Laut „Spiegel“ wurden eigens die Abgeordneten Axel Müller, Carsten Müller und Stefan Kaufmann (alle CDU) nach Schwaben gebracht, um bei der Durchsuchung dabei zu sein. Das Prozedere mit parlamentarischen Zeugen ist gesetzlich festgeschrieben

Weil Nüßlein immerhin Fraktionsvize ist, wurden auch Räume der Unionsfraktion durchsucht; nicht angenehm für die Kanzlerpartei im Bundestag. Stundenlang seien Ermittler vor Ort gewesen, sagen Augenzeugen. Die Ermittlungen dürften sich durchs Wahljahr ziehen.

In der Union ist das Entsetzen groß. Nüßlein war nicht als Raffke aufgefallen bisher. Was er offiziell angibt an Nebeneinkünften, schien überschaubar, dazu ehrenamtlich Vorstand der Fischereigenossenschaft Krumbach. Den Deal ließ er aber offenbar über seine Berliner Firma Tectum Holding laufen. „Das klingt nicht harmlos“, sagt ein Beteiligter, der Teile der Ermittlungsakten kennt. Für die Politik ist der Verdacht verheerend, sich bei einem Masken-Deal bereichert zu haben. Nüßlein selbst taucht ab. Dem BR erklärt er kurz, die Vorwürfe seien „haltlos“.

Am Vormittag im Bundestag sieht man die Spitze der CSU-Landesgruppe mit finsteren Mienen beisammenstehen. Das Statement ist dünn: Unschuldsvermutung, keine Kenntnis gehabt. „Unfassbar blöd“ sei der Vorgang, heißt es halblaut. Der CSU-Abgeordnete Alois Rainer ist „überrascht“. Die AfD frohlockt über „Klüngelwirtschaft“, versteigt sich zum Ausdruck „Kriegsgewinnler“. SPD-Fraktionsvize Katja Mast forderte Klarheit: „Wenn auch nur der Verdacht entsteht, dass sich ein Abgeordneter des Deutschen Bundestags an der Corona-Krise persönlich bereichert, ist das ein sehr ernster, schwerwiegender Vorwurf, der umfänglich aufgeklärt werden muss.“  (mit afp)

Artikel 5 von 11