Appell der Wirte: Vergesst uns nicht!

von Redaktion

VON DOMINIK GÖTTLER

Aying – Die Tischdecke ist ausgebreitet, die Serviette akkurat gefaltet. Und auf dem Tisch stehen zwei Vasen mit blau blühenden Vergissmeinnicht-Pflanzen. Die Blumen vor dem Brauereigasthof Aying im Kreis München sind bewusst gewählt. Denn die Wirte fühlen sich vergessen in der aktuellen Corona-Politik. Darauf machten sie gestern aufmerksam.

In ganz Deutschland von der Nordsee bis auf die Zugspitze haben Gastronomen und Hoteliers symbolisch die Tische eingedeckt oder die Betten gemacht, um im Vorfeld der morgen anstehenden Bund-Länder-Gespräche für eine Perspektive zu werben (siehe auch Berichterstattung in unseren Lokalteilen). „Wir haben seit dem vergangenen März nun insgesamt sechs Monate Schließung hinter uns“, sagt Angela Inselkammer, Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga vor ihrem Betrieb in Aying. „Die Not ist trotz guter Wirtschaftshilfen groß.“

Inselkammer hat den Großteil ihrer Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. Das Hotel ist komplett geschlossen. „Das fühlt sich gespenstisch an“, sagt sie. Auch das Essen zum Mitnehmen könne die Verluste nicht im Ansatz ausgleichen. „Das ist eh nur am Wochenende ein Faktor – und macht selbst da nicht einmal zehn Prozent unseres regulären À-la-carte-Geschäfts aus“, sagt die Wirtin.

Am Tag, an dem Friseure und Gartencenter wieder ihre Türen für die Kunden öffnen durften, ist bei den Wirten der Frust weiterhin groß. „Wir können nicht nachvollziehen, warum Baumärkte öffnen können, aber wir nicht“, sagt Inselkammer. Wenn der Einzelhandel öffne, müsse es auch in der Gastronomie wieder losgehen können. „Und zwar nicht am Sankt Nimmerleins-Tag.“ Die Dehoga-Chefin ist sich sicher: „Wir Gastronomen sind Spezialisten in Hygiene – und keine Pandemietreiber.“ Die Ansteckungsgefahr im Freien und in Hotels sei niedrig, darauf habe vergangene Woche auch das Robert-Koch-Instituts hingewiesen.

Unterstützung für ihre Forderung bekam Inselkammer gestern von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW), der – wenn auch ohne Verköstigung – an dem gedeckten Tisch in Aying Platz nahm. Er bekräftigte seine Forderung nach einem Öffnungsplan für Gastronomie, Hotels und Handel. Sein Wunschszenario: Mitte März den Einzelhandel öffnen. Und ab Ostern wieder die Außengastronomie sowie die Hotels und Ferienwohnungen. „Wenn es sein muss, mit Schnelltests für die Gäste.“

Die Politik dürfe nicht nur einseitig auf die Infektionszahlen schauen, betonte Aiwanger. Sie müsse auch die Menschen im Blick behalten. „Es ist ja schließlich nicht gewährleistet, dass die Menschen einfach daheim bleiben und fernsehschauen, wenn wir ihnen den Osterurlaub versauen“, sagt Aiwanger. Lieber säßen die Menschen in geordneter Atmosphäre mit Hygienekonzept im Biergarten, „als in großer Gruppe mit einem Kasten Bier die Halbe an der Bordsteinkante kreisen zu lassen“, sagt Aiwanger in seiner gewohnt bildhaften Art. Er gehe sogar so weit, dass Schließungen künftig nur noch zu rechtfertigen seien, wenn ein Freitesten mit Corona-Schnelltests nicht möglich sei.

Mit Blick auf die gedeckten Tische und die Vergissmeinnicht-Blumen in ganz Bayern sagt der Wirtschaftsminister: Dieses Signal müsse auch ganz oben gehört werden. Aiwanger gibt allerdings auch zu: „Alleine kann ich mich in Berlin nicht durchsetzen.“ Aber er hoffe, dass die Vernunft siege.

Artikel 4 von 11