Sonntagsruhe ist nach 1700 Jahren in Gefahr

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – Der arbeitsfreie Sonntag feiert Geburtstag: Am 3. März im Jahr 321 hat der römische Kaiser Konstantin den Sonntag per Edikt zum wöchentlichen Ruhetag erkoren. Auch wenn das römische Reich zerfiel – der arbeitsfreie Sonntag blieb. Eine Errungenschaft, die die Allianz für den freien Sonntag – ein Zusammenschluss von Kirchen und Gewerkschaften – am morgigen Mittwoch mit einer digitalen Feier begeht. Und mit einer Mahnung versieht, denn sie sieht den Ruhetag gefährdet.

Laut Betriebsseelsorger Erwin Helmer aus Augsburg, einer der Gründer der Allianz, gibt es immer wieder Versuche, die Sonntagsruhe auszuhebeln. „Gerade in den letzten Jahren verzeichnen wir in Deutschland eine Zunahme der Sonntagsarbeit und immer neue Versuche wirtschaftsliberaler Kreise, rund um die Uhr verkaufen und produzieren zu können“, warnt der Diakon. Jeder fünfte Arbeitnehmer sei derzeit wenigstens an einem Sonntag im Monat beruflich im Einsatz. Wobei es laut Helmer selbstverständlich Berufe gebe, wo Sonntagsarbeit unverzichtbar sei, etwa in Krankenhäusern, im Rettungswesen, bei der Polizei, in den Kirchen oder im Kulturbereich. „Wir sagen jedem Danke, der am Sonntag Dienst für andere tut.“ Kirchen und Gewerkschaften fürchteten aber, dass man den Sonntag als Produktionstag, Auslieferungstag oder Lkw-Fahrtag gewinnen will.

Aktuell gebe es Bestrebungen, verkaufsoffene Sonntage einzuführen, um dem Handel wegen der Einbußen durch die Corona-Pandemie zu helfen. Hier würden bereits Gespräche im Arbeitsministerium mit dem Handel, den Gewerkschaften und den Kirchen geführt. Helmer betont, dass der Sonntag unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stehe und man darauf achten werde, dass jegliche Regelungen gesetzeskonform sind. Im vergangenen Jahr habe es bereits entsprechende Urteile in Mannheim und Münster gegeben, wo verkaufsoffene Sonntage zur Rettung des Handels in der Corona-Krise abgelehnt worden seien. Und im Handel bringe es gar nichts: „Dann kaufen unter der Woche weniger Menschen ein.“ In Bayern gebe es pro Woche 84 Stunden, in denen man einkaufen könne.

Auch das Landeskomitee der Katholiken in Bayern glaubt nicht, dass zusätzliche Öffnungszeiten im Handel zusätzlichen Umsatz generieren würden. „Die Menschen können das ihnen zur Verfügung stehende Geld schließlich nur einmal ausgeben.“ Außerdem würden erweiterte Sonntagsöffnungen zu völlig unnötigen Belastungen des Verkaufspersonals führen, deren Familienleben immer mehr auseinandergenommen werde. Wenn die gemeinsamen Ruhezeiten immer seltener werden, weil immer mehr Branchen eine Aufhebung des Sonntagsschutzes beanspruchen, litten am Ende alle darunter.

Viele Menschen spürten, dass der Sonntag und die Produktionspausen kreative Kräfte weckten, sagt Diakon Helmer. „Ohne Sonntag gibt es nur Werktag.“ Die Menschen hätten ein Recht auf Erholung und Entschleunigung – und zwar gemeinsam. Der christliche Sonntag ermögliche Begegnung und lebendiges Gemeinschaftsleben der Menschen, sich zu besinnen, zum Gottesdienst zu gehen und für sich etwas zu tun. Viele Menschen machten derzeit auch im Homeoffice die Erfahrung, wie wichtig es sei, dass man seinem Leben eine Struktur gebe. Da könne man in der Familie vereinbaren: „Am Sonntag soll die Arbeit ruhen, dass wir endlich gemeinsame Ruhe haben.“ Helmer ist davon überzeugt, dass die Sonntagskultur für die Zukunft eine wichtige Rolle spielt.

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